Religion in der Nachkriegsliteratur
Literaturwissenschaftler Christian Sieg über Religion und politische Autorschaft
Mit der Funktion der Religion für die Inszenierung politischer Autorschaft befasst sich die Habilitationsschrift des Literaturwissenschaftlers Dr. Christian Sieg vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der WWU. Die Monografie mit dem Titel „Die ‚engagierte Literatur‘ und die Religion. Politische Autorschaft im literarischen Feld zwischen 1945 und 1990“ ist jüngst im Verlag De Gruyter erschienen. „Für die Legitimation ihrer Literatur greifen ‚engagierte‘ Autorinnen und Autoren in ihren literarischen Texten auf gesellschaftlich anerkannte Kulturmuster zurück“, erläutert PD Dr. Sieg. „Von der Kirchenkritik der 1950er- bis zur apokalyptischen Rhetorik der 1980er-Jahre beziehen sie sich in diesem Sinne insbesondere auf religiöse Motive, Narrative und Diskurse.“ Der Wissenschaftler untersuchte Nachkriegsliteratur von prominenten deutschen Autoren wie Heinrich Böll, Arno Schmidt und Günter Grass.
Christian Sieg entwickelt in seiner Studie auf der Grundlage von Pierre Bourdieus Feldtheorie einen literatursoziologischen Begriff von Autorschaft und zeigt auf, wie ihre Inszenierung der Literatur eine politische Funktion zuschreibt. „Das Politische in der Literatur der Nachkriegszeit lässt sich weder mit der Auflistung der Diskurse fassen, in denen sich die Nachkriegsliteratur politisch positioniert hat, noch mit Verweis auf den Begriff ‚Engagement‘“, so der Literaturwissenschaftler. Der politische Gehalt der „engagierten Nachkriegsliteratur“ lasse sich nur erschließen, indem die Rolle der Religion bei der Inszenierung von Autorschaft aufgedeckt würde. Den Einfluss der Religion habe die literaturwissenschaftliche Forschung bislang lediglich am Rande thematisiert. (dak/maz)