„RELIGION AND MODERNITY“
Grundlagenwerk über die Religion in der Moderne des Soziologen Detlef Pollack auf Englisch erschienen
Eine der bislang umfassendsten empirischen Untersuchungen internationaler religiöser Entwicklungstrends seit 1945 der Religionssoziologen Detlef Pollack und Gergely Rosta vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster hat der Verlag Oxford University Press unter dem Titel „Religion and Modernity“ in englischer Sprache veröffentlicht. Die Monografie, die erstmals 2015 unter dem Titel „Religion in der Moderne“ in deutscher Sprache erschien, arbeitet länderübergreifend Muster des religiösen Wandels sowie soziale Faktoren und Bedingungen heraus, die religiöse Auf- und Abschwünge beeinflussen.
„Die Gegenwart erlebt eine explosionsartige Vervielfältigung des religiösen Feldes“, erläutert Prof. Dr. Detlef Pollack. „Fundamentalistische Bewegungen ergreifen hochgebildete Jugendliche, Christen wenden sich millionenfach von ihrer Kirche ab, esoterische Weltbilder stoßen in Medizin und Wissenschaft zunehmend auf Resonanz. Durch das Aufzeigen von Mustern und Faktoren des Wandels lässt sich das unübersichtlich gewordene religiöse Feld ordnen.“ Die Soziologen streben dabei keine Universaltheorie wie die Säkularisierungsthese an, sondern bieten Theorie-Bausteine, die in der Forschung auf verschiedene Weise kombiniert werden können.
Die Abnahme des kirchlichen Bestandes in Westeuropa vollzieht sich den Forschern zufolge „lautlos, nicht eruptiv und erweckt den Eindruck eines alternativlos voranschreitenden Prozesses“. Beobachtbare Zuwächse alternativer außerkirchlicher Religiosität, etwa esoterisch-spirituelle Glaubensformen, blieben demgegenüber vergleichsweise schwach. Zu den Faktoren, die die Vitalität von Religionen negativ beeinflussen, gehören nach der Studie ein hohes Wohlstandsniveau in einer Gesellschaft, ein hoher Grad an Individualisierung, ein breites Freizeit- und Unterhaltungsangebot sowie ein hohes Maß an kultureller und weltanschaulicher Vielfalt. Positiv wirkt sich dagegen aus, wenn das religiöse Leben in Gemeinschaften eingebettet ist oder wenn sich religiöse Identitäten mit politischen, nationalen oder wirtschaftlichen Interessen verbinden. „Zugleich liegt hier ein Konfliktpotential, besonders wenn kleine, aggressive Religionsgruppen beteiligt sind, die dieses Konfliktpotential für sich ausnutzen und auf Kosten von Mehrheiten Attraktivitätsgewinne erzielen können“, sagt Prof. Pollack.
Weitere Auskünfte zu Mechanismen des religiösen Wandels finden sich unten unter Zentrale Ergebnisse.
Die Studie zeichnet detailreich ein lebendiges Panorama des religiösen Wandels in verschiedenen Gesellschaften. Aktuelle Analysen werden durch historische Perspektiven ergänzt. „Viele gegenwärtige religiös-soziale Konstellationen lassen sich nur aus ihrer Vorgeschichte verstehen“, erläutert Pollack. Die Studie zieht theoretische Gesichtspunkte heran, um religiöse Entwicklungen in unterschiedlichen Gesellschaften zu vergleichen.
Die Forscher nehmen Fallstudien für Italien, die Niederlande, Deutschland, Polen, Russland, die USA, Südkorea und Brasilien vor und ziehen aus dem Vergleich zwischen Ost- und Westeuropa, den USA, asiatischen und südamerikanischen Ländern verallgemeinerbare Schlussfolgerungen. Einbezogen ist eine Vielzahl an repräsentativen Datensätzen aus verschiedenen Zeiträumen: World Values Survey (WVS), International Social Survey Programme (ISSP), Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (ALLBUS), Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung, General Social Survey (GSS), Pew Forum sowie kirchliche und staatliche Statistiken.
Die Autoren
Der Religionssoziologe Prof. Dr. Detlef Pollack ist Sprecher des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU). Seit 2008 hat er den Lehrstuhl für Religionssoziologie an der WWU inne. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen das Verhältnis von Religion und Moderne, die Geschichte der DDR und politische Kultur. 2010 stieß seine internationale Studie über Religionsvielfalt in Europa auf nationale und internationale Resonanz. Prof. Pollack leitet am Exzellenzcluster das Forschungsprojekt C2-15 Zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Kulturelle und soziale Integration im Selbstbild türkischstämmiger Muslime in Deutschland.
Der Soziologe Prof. Dr. Gergely László Rosta war von 2009 bis 2012 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt C21 Die Legitimität des religiösen Pluralismus: Wahrnehmung und Akzeptanz religiöser Vielfalt in der europäischen Bevölkerung des Exzellenzclusters "Religion und Politik". Von 2016 bis 2017 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt C2-15 Zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Kulturelle und soziale Integration im Selbstbild türkischstämmiger Muslime in Deutschland. Seit 2017 ist er Professor für Soziologie an der Katholischen Pázmány Péter Universität in Budapest. (asc/vvm)