Kann der Staat weltanschaulich neutral sein?
Der Rechtswissenschaftler und Rechtsphilosoph Horst Dreier wird neuer Hans-Blumenberg-Gastprofessor am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ –Vortragsreihe zum säkularen Verfassungsstaat – Auftakt am 14. November zum „umkämpften Begriff“ der Säkularisierung – Gastprofessur bringt internationale und interdisziplinäre Impulse
Pressemitteilung des Exzellenzclusters vom 7. November 2016
Der Rechtswissenschaftler und Rechtsphilosoph Prof. Dr. Horst Dreier übernimmt im Wintersemester 2016/17 die „Hans-Blumenberg-Gastprofessur“ am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Universität Münster. Der Würzburger Wissenschaftler befasst sich in öffentlichen Vorträgen und in seinen Forschungen in Münster mit den „Herausforderungen des säkularen Verfassungsstaates“. Er beleuchtet die Verfassungsgeschichte der Religionsfreiheit in Deutschland und erörtert, ob die religiös-weltanschauliche Neutralität des säkularen Staates möglich ist. Er fragt, ob der Staat seine christlichen Wurzeln ignorieren kann und ob das freiheitliche Gemeinwesen auf sakrale Elemente angewiesen ist. Zum Auftakt am 14. November nimmt der Gastprofessor den „umkämpften Begriff“ der Säkularisierung in den Blick. Die Vorträge sind vom 14. November bis 5. Dezember 2016 montags von 18.15 bis 19.45 Uhr im Juridicum, Gebäude der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, Hörsaal JUR 3 in Münster zu hören.
„Horst Dreier ist durch seine Forschungsinteressen in einzigartiger Weise anschlussfähig für fast alle Fächer im Exzellenzcluster“, sagt Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Fabian Wittreck, Hauptantragsteller des Forschungsverbundes. Zu den Schwerpunkten des neuen Gastprofessors zählen die Verfassungs- und Ideengeschichte sowie das Verhältnis von Recht und Religion. „Das bietet viele Berührungspunkte zum Exzellenzcluster“, unterstreicht Prof. Wittreck. „Die rechtsphilosophischen Arbeiten machen Horst Dreier zum Ansprechpartner für die Philosophen, seine rechts- und verfassungsgeschichtlichen Publikationen für die Historiker. Die Rechts- und Staatssoziologie eröffnet den Dialog mit den Sozialwissenschaften. Seine Art, Verfassungsrecht zu betreiben, ist hochgradig politikwissenschaftlich informiert, so dass auch hier spannende Synergien zu erwarten sind.“
Neuer Gastprofessor greift Hans Blumenbergs These auf
Der erste Vortrag des neuen Hans-Blumenberg-Gastprofessors trägt den Titel „Säkularisierung – eine ‚Kategorie historischer Illegitimität‘? Facetten eines umkämpften Begriffs“. Horst Dreier greift dabei die These des Namensgebers der Gastprofessur, Hans Blumenberg, auf, „Säkularisierung“ beinhalte die Vorstellung einer unrechtmäßigen Transformation geistiger Gehalte und sei so kontaminiert. „Säkularisierung ist ein schillernder und zugleich missverständlicher Begriff, der in Diskursen über Religion, Recht und Politik zentral ist“, erläutert Horst Dreier im Vorfeld. Er schlage vor, zwischen einem geisteswissenschaftlichen, soziologischen und staatsrechtlichen Begriffsverständnis zu unterscheiden.
Horst Dreier, 1954 in Hannover geboren, ist Professor für Rechtsphilosophie, Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Würzburg. Von 2001 bis 2007 gehörte er dem Nationalen Ethikrat an. Der vielfach ausgezeichnete Forscher hat zahlreiche Publikationen vorgelegt, darunter „Säkularisierung und Sakralität“ (2013). Die Hans-Blumenberg-Gastprofessur, benannt nach dem einflussreichen Philosophen Hans Blumenberg (1920-1996), soll dazu beitragen, innovative Impulse aus der internationalen Forschung nach Münster zu bringen, und die interdisziplinäre Anschlussfähigkeit am Exzellenzcluster stärken. Der Verbund hat 200 Mitglieder aus gut 20 geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern.
Weitere Forscher erwartet
In den kommenden Semestern werden weitere Forscherinnen und Forscher aus wechselnden Disziplinen auf die Hans-Blumenberg-Gastprofessur berufen, etwa aus der Soziologie und Ethnologie. Der erste Hans-Blumenberg-Gastprofessor war im Sommersemester 2016 der Bochumer Historiker Prof. Dr. Lucian Hölscher, der sich in Münster mit dem Reformationsjubiläum 2017 und der protestantischen Frömmigkeitskultur in Deutschland befasste und den Mitgliedern des Forschungsverbundes wichtige Impulse gab. (ill/vvm)