Eine kurze Verfassungsgeschichte der Religionsfreiheit
Rechtswissenschaftler Dreier über den langen Weg bis zur Garantie im Grundgesetz
Eine „kurze Verfassungsgeschichte der Religionsfreiheit“ hat der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Horst Dreier am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ nachgezeichnet. Im zweiten Vortrag der Hans-Blumenberg-Gastprofessur schilderte der Rechtsphilosoph „den langen Weg von den paradoxen Anfängen im Augsburger Religionsfrieden“ bis zur Garantie der Religions- und Weltanschauungsfreiheit im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Er arbeitete heraus, wie sich eine zentrale grundrechtliche Garantie, „die keineswegs weltweit verbrieft ist“, historisch herausgebildet hat.
Der Wissenschaftler beschrieb innerchristliche Pluralisierungs- und sukzessive Ausweitungsprozesse bis zum „programmatischen Durchbruch“ in der Paulskirchenverfassung von 1848 und der politischen Realisierung in der Weimarer Reichsverfassung 1919. „Am Ende ist Religionsfreiheit nur noch eine säkulare Hülle‘“, so Horst Dreier, „denn Artikel 4 des Grundgesetzes schützt Gläubige, Atheisten und Gleichgültige gleichermaßen.“
Der Hans-Blumenberg-Gastprofessor erläuterte, „Säkularität“ bedeute im staatsrechtlichen Sinne die Gewährleistung der Freiheit des religiösen Glaubens, wie sie im Grundgesetz und den meisten freiheitlichen Verfassungsstaaten in umfassender Weise garantiert sei. „Sie umfasst die Freiheit, einen Glauben zu haben und zu praktizieren, die Religionszugehörigkeit zu wechseln oder auch auf jegliches Bekenntnis zu verzichten.“
Vortrag über die Neutralität des Staates
Die Vortragsreihe trägt den Titel „Herausforderungen des säkularen Verfassungsstaates“. Der nächste Vortrag am 28. November trägt den Titel „Zur (Un-)Möglichkeit religiös-weltanschaulicher Neutralität des Staates“. Die Reihe läuft bis zum 5. Dezember 2016 montags von 18.15 bis 19.45 Uhr im Hörsaal JUR 3 im Juridicum, Gebäude der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, Universitätsstr. 14-16 in Münster zu hören.
Prof. Dr. Horst Dreier ist Professor für Rechtsphilosophie, Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Würzburg. Von 2001 bis 2007 gehörte er dem Nationalen Ethikrat an. Der vielfach ausgezeichnete Forscher hat zahlreiche Publikationen vorgelegt, darunter „Säkularisierung und Sakralität“ (2013). Er ist im Wintersemester 2016/2017 Inhaber der Hans-Blumenberg-Gastprofessur am Exzellenzcluster „Religion und Politik“.
Die Gastprofessur am Exzellenzcluster „Religion und Politik“, benannt nach dem einflussreichen Philosophen Hans Blumenberg (1920-1996), soll dazu beitragen, innovative Impulse aus der internationalen Forschung nach Münster zu bringen, und die interdisziplinäre Anschlussfähigkeit am Exzellenzcluster stärken. Dem Verbund gehören rund 200 Mitglieder aus gut 20 geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern an. (ill/vvm)