„Passt der Islam in unsere westliche Welt?“
Exzellenzcluster startet repräsentative Umfrage zur religiösen Vielfalt in Europa
Der Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) startet in diesem Sommer eine der bislang größten Bevölkerungsumfragen zur religiösen Vielfalt in Europa. Die repräsentative Erhebung soll zeigen, wie die Bevölkerung in fünf europäischen Ländern auf die wachsende Zahl fremder Religionen in ihrer Umgebung reagiert, welche Regeln sie sich angesichts der wachsenden Vielfalt wünscht und was sie insbesondere vom Islam hält, wie der Leiter der Studie, Soziologe Prof. Dr. Detlef Pollack, am Mittwoch zum Auftakt in Münster erläuterte.
Für die Erhebung befragt das Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid im Auftrag des Clusters je 1.000 Menschen in Ost- und in Westdeutschland, in Dänemark, Frankreich, den Niederlanden und Portugal. Die Ergebnisse sind Ende 2010 zu erwarten. „Wir wollen erfahren, wie europäische Gesellschaften auf die Probleme zunehmender religiöser Pluralität reagieren, welche Vorstellungen von der Konsens stiftenden Kraft der Religionen vorherrschen und wie die Menschen in den untersuchten Ländern das Verhältnis von Kirche und Staat sowie Religion und Politik geregelt wissen wollen“, sagte Soziologe Pollack. Die Untersuchung ist Teil seines Projektes C21 „Die Legitimität des religiösen Pluralismus“ am Exzellenzcluster.
Die Wissenschaftler fragen die Teilnehmer der Studie etwa, ob sie den Bau von Moscheen und Minaretten befürworten und ob sie die wachsende religiöse Vielfalt als Konfliktursache oder kulturelle Bereicherung ansehen. Im Fragebogen, der mündlich erhoben wird, steht auch, ob der Islam „in unsere westliche Welt passt“ und ob „Muslime sich an die westliche Kultur anpassen“ sollten.
Kontakt zu fremden Religionen
Die Forscher ergründen zudem, inwieweit die Befragten Islam und Christentum jeweils mit Begriffen wie Fanatismus, Friedfertigkeit, Benachteiligung von Frauen und Achtung der Menschenrechte verbinden. Geprüft wird auch, wie viel Kontakt zu anderen Gruppen – Juden, Christen, Muslimen, Hinduisten, Buddhisten und Atheisten – besteht. Dahinter steht die Annahme, dass persönliche Kontakte Vorurteile mindern können.
„Die Leitfrage der Untersuchung lautet, wie sich verschiedene Religionen in einer Gesellschaft angesichts interreligiöser und kultureller Konflikte politisch und sozial integrieren lassen“, unterstreicht Soziologe Pollack. Sein Forschungsteam ergründet daher Einstellungen zu kulturellen Unterschieden, zur praktischen Religionsausübung und zur Toleranz gegenüber fremden Religionen. Thematisiert werden auch Gefühle wie die Angst vor Überfremdung.
Die Auswahl der fünf Länder folgt dem unterschiedlichen Grad an religiöser Vielfalt: Deutschland wurde aufgrund der großen Zahl muslimischer Bewohner sowie wachsender Konflikte um Moscheen, Ganzkörperschleier und Kopftücher ausgewählt. Das laizistische Frankreich interessiert die Forscher wegen seiner Diskussionen zum Burka-Verbot sowie sozialer Spannungen zwischen jungen Muslimen und Mehrheitsgesellschaft. Die Niederlande sind im Blickfeld, weil deren Bild einer toleranten und spannungsfreien Gesellschaft nach der Ermordung des Islamkritikers Theo van Gogh ins Wanken geraten ist. Dänemark dürfte nach Einschätzung der Soziologen sein Verhältnis zum Islam durch den Karikaturenstreit verändert haben. Portugal wird als Kontrastfall hinzugezogen, da dort die religiöse Vielfalt weniger stark ausgeprägt ist. Weil die Zahl der Muslime in Ostdeutschland viel geringer ist als im Westen, werden die beiden Landesteile mit jeweils 1.000 Befragten getrennt untersucht. (vvm)