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Historische Orte der Strafvollstreckung in Münster

Als Strafe für verurteilte Täter wurde im Mittelalter und in der frühen Neuzeit kein Freiheitsentzug verhängt, denn der kurze oder längere Aufenthalt in einem Kerker oder Gefängnis endete in der Regel kurz nach der Urteilsverkündung. Viele „geringfügige“ Verbrechen wurden mit einer Geldstrafe, Schand- und Ehrenstrafen geahndet, schwerwiegendere Vergehen wurden selten mit dem Tod, häufig jedoch mit einem Stadtverweis bestraft, der auf einige Monate oder Jahre befristet war oder lebenslang gelten konnte. Der Täter musste eine „Urfehde“, also einen Eid auf Racheverzicht, leisten und ihm wurde das freie Geleit entzogen. Meist war der Stadtverweis aber zusätzlich auch mit einer Leib- oder Körperstrafe verbunden, die vom Scharfrichter an verschiedenen Orten der Stadt ausgeführt wurde.

Orte für öffentliche Bestrafungen

Pranger auf dem Prinzipalmarkt, Darstellung aus dem Jahr 1608
© Stadtarchiv Bad Homburg v. d. Höhe

Sichtbares Symbol dieser öffentlichen Misshandlungen war der Pranger (Kaak oder Kaeck) auf dem Prinzipalmarkt, der erstmals 1532 erwähnt wird. Gerade die Präsenz an einem wichtigen und vielbesuchten Platz war ein besonderer Aspekt dieser zur Abschreckung dienenden Schandstrafe. Auf verschiede Arten konnten Straftäter dort zur Schau gestellt werden. Es handelte sich um ein kleines, quadratisches Gefängnis mit kleinen Fenstern im unteren Stock. Die dort für einige Zeit Eingesperrten waren dem Hohn und Spott der Vorbeigehenden ausgesetzt. Über diesem kleinen Raum befand sich, auf einer Art Plattform, ein Pfahl, an den Delinquenten angebunden und auf unterschiedliche Weise misshandelt werden konnten.

Am Pranger hingen auch die schweren Schandsteine, die von verurteilten Tätern unter großen Mühen durch die Straßen der Stadt, unter reger Anteilnahme der Bevölkerung, meist bis zu einem Stadttor, aus dem sie der Stadt verwiesen wurden, zu tragen hatten.

Unmittelbar neben dem Pranger stand auch der hölzerne Schandesel auf dem im 17. und 18. Jahrhundert u. a. Gartendiebe reitend festgebunden und so in der Öffentlichkeit lächerlich gemacht wurden. Nicht weniger demütigend war der Aufenthalt im benachbarten Rollhäuschen, einem kleinen hölzernen Käfig, der von Schaulustigen um seine Mittelachse gedreht werden konnte, was dem dazu Verurteilten neben dem Schwindel das unbehagliche Gefühl des totalen Ausgeliefertseins vermittelte.

Der Pranger wurde 1773 abgebrochen, danach befand sich eine deutlich einfachere Ausführung für einige Zeit auf dem Domplatz, während der Franzosenherrschaft von 1806 bis 1813 auf dem Michaelisplatz und seit 1816 für einige Jahre erneut auf dem Prinzipalmarkt. In den 1830er Jahren gab es vorübergehend außerdem einen weiteren Pranger am Zwinger.

Ein neuer provisorischer Pranger, der nur bei aktuellen Bestrafungen aufgestellt werden konnte, wurde 1846 vor dem Rathaus installiert, aber bereits 1851 wieder abgeschafft, da ab jenem Jahr die öffentliche Zurschaustellung von Straftätern vom Preußischen Staat verboten wurde.

Wippe an der Brücke am Mauritztor, Darstellung aus dem Jahr 1636
© Alerdinck-Plan

Im Jahre 1617 wurde vom Stadtrat außerdem das Ausstellen im sogenannten Wasserkorb eingeführt, mit dem Verurteilte in den Stadtgraben eingetaucht werden konnten. Diese Wippe, an der Brücke des Mauritztores angebracht, diente als Ort der Bestrafung für geringe Vergehen, u.a. für Gartendiebstähle. Man wurde dort für ein bis zwei Stunden eingesperrt und mehrfach ins Wasser getaucht.

Nach dem Ende dieser Schand- oder Ehrenstrafen wurde alle dazu Verurteilten auf freien Fuß gesetzt. Ihre Strafe war abgegolten, sie galten nicht als Verbrecher, da sie ihre Sünden – öffentlich – gesühnt hatten.

Orte für öffentliche Hinrichtungen

Zum Tode verurteilt wurden Täter, die sich nach zeitgenössischem Verständnis für ausgesprochen schwerwiegende Verbrechen zu verantworten hatten. In Münster gab es zwei unterschiedliche Gerichtsbarkeiten, die fürstbischöfliche und die städtische Hals- oder Blutgerichtsbarkeit, die wiederum ein wichtiges Selbstverwaltungsrecht der Stadt war.

Die Todesstrafe wurde nicht nur für Mord, sondern z. B. auch für bestimmte Diebstähle, Zauberei, Falschmünzerei und in einigen Fällen auch für Ehebruch verhängt. Grundlage der münsterischen Rechtsordnung war die 1532 erlassene Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. Der Urteilsspruch wurde vom Sentenzbogen des Stadtweinhauses aus verkündet. Je nach Schwere der Schuld wurden unterschiedliche Hinrichtungsarten angewendet, dabei waren nicht so sehr der Grad der Grausamkeit oder die erlittenen Schmerzen ausschlaggebend, sondern vor allem die Frage, was später mit dem Leichnam des Hingerichteten geschah. Handelte es sich nämlich um eine ehrliche, mit dem Schwert vollzogene Tötung, die nur Bürgern der Stadt zu Teil werden konnte, gelangte der Körper in die geweihte Erde eines Friedhofes. Entehrende Todestrafen wie etwa das Hängen zogen ein unchristliches Begräbnis nach sich, oder dieses wurde sogar gänzlich verwehrt und damit auch die Möglichkeit der Wiederauferstehung am Jüngsten Tag.

Tuckesburg, Rekonstruktion des Zustands um 1533 in einem Modell der Stadt Münster
© Stadtmuseum Münster
Richtschwert der Stadt Münster, um 1600
© Stadtmuseum Münster, Foto: T. Samek und A. Reimer

Die Orte der Hinrichtungen lagen außerhalb der damaligen Stadtmauer. Auf der Tuckesburg westlich vor dem Liebfrauentor, vermutlich einem künstlichen Hügel, der mit dem Bau der Zitadelle 1661 eingeebnet wurde, fanden die „ehrlichen“ Hinrichtungen mit dem Schwert statt. Die drei im persönlichen Eigentum der Scharfrichter verbliebenen Richtschwerter des 16. und 17. Jahrhunderts wurden 1840 durch den Stadtrat von der Witwe des letzten Henkers Hermann Leissner erworben. Ausnahmsweise wurden Todesstrafen, z.B. in Kriegs- oder Krisenzeiten, in denen das Umfeld der Stadt zu unsicher war, auch zwischen den Stadttoren vollstreckt, u.a. beim Liebfrauentor oder, besonders im 18. Jahrhundert, auf dem freien Feld vor dem Neutor.

Die Hinrichtungsstätte des Bischöfliches Gerichtes war der Nubbenberg vor dem Jüdefelder- bzw. später vor dem Neutor an der heutigen Grevener Straße. Auf dieser etwa vier Meter hohen, ehemals von einem Wassergraben umgebenen viereckigen alten Schanze, wurden seit dem Spätmittelalter bis in das späte 18. Jahrhundert die vom fürstbischöflichen Gogericht ausgesprochenen Todesurteile vollstreckt. Wie eine Ansicht von 1671 zeigt, stand dort ein Galgen.

Nubbenberg, Darstellung aus dem Jahr 1671
© LAV NRW W, W 051/Karten A Nr. 1063

Die „unehrlichen“ Hinrichtungen der städtischen Gerichtsbarkeit fanden auf der Galgheide (heute Galgenheide) statt. Sie wurde 1332 erstmals erwähnt und lag süd-westlich der Stadt zwischen der heutigen Weseler Straße und dem Kappenberger Damm. Dort standen die Galgen des Stadthalsgerichtes. Die Verurteilten wurden dort gehängt, auf das Rand geflochten, (lebendig) verbrannt oder lebendig begraben, wobei letzteres seit dem 16. Jahrhundert kaum mehr vorkam. Ein ordentliches Begräbnis wurde ihnen verwehrt. Offenbar nach einer längeren Pause seit 1660 wurde auf der Galgheide nur noch gelegentlich hingerichtet, 1824 wurde dort letztmalig ein Mörder gerädert.

Galgheide südwestlich von Münster mit dem Städtischen Halsgericht, Darstellung aus dem Jahr 1657
© Stadtmuseum Münster, Foto: T. Samek und A. Reimer

Hinrichtungen in der Stadt stellten die Ausnahme dar, Blut sollte dort eigentlich nicht vergossen werden. Auf dem so genannten „Blutgerüst“ auf dem Prinzipalmarkt wurden im Januar 1536 die drei Anführer der Täufer öffentlich und für alle Bürger sichtbar hingerichtet und ihre leblosen Körper anschließend in drei Körben am Turm der Lambertikirche, zur ewigen Abschreckung, ausgestellt. Auch ihnen wurde so ein „ehrliches“ Begräbnis verweigert. Weitere Hinrichtungen fanden dort gelegentlich im 17. Jahrhundert bei besonderen Verbrechen, u. a. Aufruhr und Verschwörung gegen den Fürstbischof, statt. Auch auf dem „Kalkplatz“ beim Zwinger, wo sich ein großer Kalkofen befand, wurden im 16. und 17. Jahrhundert gelegentlich Todesurteile vollsteckt.

Ab 1812 stand für wenige Jahre außerdem eine Guillotine vor der Regierungskanzlei am Michaelisplatz, die ein münsterischer Schlossermeister konstruiert hatte. Dort fanden auch die letzten öffentlichen Hinrichtungen in der Stadt statt. Das neue Preußische Strafgesetzbuch von 1851, das die Grundlage des späteren Reichsstrafgesetzbuches wurde, verbot öffentliche Hinrichtungen oder das Zurschaustellen von Verurteilten. Nur noch Vertreter der Stadt sollten den Hinrichtungen beiwohnen, die seit jenem Jahr ausschließlich im großen Hof des gerade neu errichteten Zuchthauses an der Gartenstraße, der heutigen Justizvollzugsanstalt, – ohne Öffentlichkeit – vollzogen wurden.

Bernd Thier

 

Zum Weiterlesen

Klaus Gimpel: Nachrichten über die Henker (Büttel, Scharfrichter) in Münster, in: Westfälische Zeitschrift 141 (1991), S. 151–168.

Eugen Müller: Die Strafvollstreckung in Alt-Münster, in: Auf Roter Erde 9 (1933), Nr. 3 und 4, S. 20–24 und 31–32.

Bernd Thier: Vom Kerker zum Zuchthaus – Orte des Strafvollzugs in Münster vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert, in: Denkmalpflege in Westfalen-Lippe 21, Heft 2 (2015), S. 60–67.