Justizvollzugsanstalt
Erst ein altes Luftbild aus der Zeit um 1923 offenbart die ungewöhnliche Architektur der heutigen Justizvollzugsanstalt, die zwischen 1848 und 1853 an der heutigen Gartenstraße 26 in Münster als Isolier-Strafanstalt bzw. Zuchthaus errichtet wurde. Das fünfeckige Gelände außerhalb der damaligen Stadt ist von einer hohen Schutzmauer umgeben, in die fünf quadratische Wachtürme mit Zinnenkranz integriert sind. An der Gartenstraße befindet sich ein dreiflügeliger Torbau mit Firsttürmchen und Wohnungen für die im Gefängnis tätigen Beamten. Im verbindenden Mitteltrakt befindet sich der Haupteingang. So wirkt die Anlage von außen wehrhaft wie eine mittelalterliche Burg, sollte aber im Inneren die Gefangenen an der Flucht hindern.
Der eigentliche Gefängnisbau aus dunklem Backstein wurde in der damals üblichen Sternbauweise mit vier Flügeln und dreigeschossigen Galerien errichtet. In der Mitte befindet sich ein Mitteltrakt mit Verwaltungs-, Wirtschafts- und Krankenräume sowie ein Kapellenbau mit einem kleinen Glockenturm. Von einem kuppelartigen Raum in dieser Mitte, einem Panopticon (griech. pān, „alles“, optikó, „zum Sehen gehörig“) gleich, können bis heute alle Zellentrakte von einer Person überblickt werden.
Der preußische Architekt Carl Ferdinand Busse (1802–1868), ein Mitarbeiter Karl Friedrich Schinkels (1781–1841), orientierte sich bei der funktionalen und optischen Gestaltung im Stil der englischen Neugotik mit historisierenden Elementen der Schinkel'schen Schlossbauten an dem seit 1840 im Bau befindlichen, damals modernsten europäischen Gefängnis in Pentonville nördlich von London, das wiederum vom Eastern State Penitentiary in Philadelphia beeinflusst war.
Das Münsteraner Zuchthaus verfügte über 456 Einzel- und 80 Schlafzellen mit einer Größe von acht Quadratmetern. 1861 wurden eine Krankenstation, ein Lager und ein Wirtschaftsgebäude mit Küche und Bäckerei errichtet, 1893 eine eigene psychiatrische Abteilung. Weitere umfangreiche Umbauten erfolgten zwischen 1919 und 1932.
Ursprünglich war das neue Gefängnis als Ersatz für das alte, aus dem 18. Jahrhundert stammende Zuchthaus und das angeschlossene Untersuchungsgefängnis im Zwinger an der Promenade gedacht, die jedoch beide bis um 1900 weiter genutzt werden mussten, da im neuen Zuchthaus bald Platzmangel herrschte.
In der Zeit des Nationalsozialismus, während des Zweiten Weltkrieges, waren im Gefängnis an der Gartenstraße auch Gefangene der SS und der Gestapo untergebracht, und wenige Tage vor Kriegsende, am 29. März 1945, wurden 17 sowjetische Zwangsarbeiter hingerichtet. Einige Gebäudeteile wurden durch alliierte Bombenangriffe teilweise zerstört und bis etwa 1950 wieder aufgebaut. Weitere Neubauten folgten bis in die 1980er Jahre. Seit 1984 stehen die ursprünglichen Gebäude unter Denkmalschutz.
Aufgrund des mittlerweile maroden baulichen Zustandes und des Fehlens adäquater Bedingungen für einen modernen Strafvollzug wurde seit 2010 ein Neubau der Justizvollzugsanstalt geplant. Dieser entsteht seit dem 1. Oktober 2021 an der Telgter Straße in Münster-Wolbeck.
Bernd Thier
Zum Weiterlesen
Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler, Nordrhein-Westfalen II / Westfalen (bearb. von Ursula Quednau), Berlin/München 2011, hier S. 756–757.
Dieter Wever: 150 Jahre Justizvollzugsanstalt Münster. Einblick in Geschichte und Gegenwart, Münster o.J. (2003).