Unboxing DH – wie generieren wir Wissen mit digitalen Methoden und Tools?
4. DH-Tag der WWU am 05.12.2022
Die geisteswissenschaftliche Arbeit mit digitalen Methoden erzeugt immer mehr datenbasierte Forschungsergebnisse. Viele DH-Forschungsmethoden benötigen aber Werkzeuge, die Teile des Erkenntnisweges im Dunkeln lassen. Die Ergebnisse von unüberwachten Machine-Learning-Verfahren etwa stammen häufig aus einer Black Box, einem nicht einsehbaren Prozess. Diese Ergebnisse werden zur Grundlage für geisteswissenschaftliche Interpretationsarbeit, ein Hinterfragen der Geneseprozesse der zu interpretierenden Rechenergebnisse wird schwierig oder gar unmöglich. Nicht zuletzt können algorithmische Operationen etwaige den Daten selbst zugrunde liegende Biasse unsichtbar werden lassen. Tatsächlich sind ungeklärte Vorannahmen Gegenstand der Kritik auch bei der Anwendung traditioneller Forschungsmethoden. Sind sie – wie nicht selten unterstellt wird – als Input in eine Black Box jeglicher nachvollziehbaren Kritik entzogen? Klar ist: Zumindest einige der DH-Subdisziplinen erzeugen starke epistemische Reibungen im digitalen Erkenntnisprozess. Schon in der Auswahl dessen, was in die Black Box hineingegeben wird, liegen Vorannahmen, die offen gelegt werden müssen. Daten sind nicht gegeben, sondern genommen und gemacht (Johanna Drucker spricht in diesem Zusammenhang etwa von "capta" statt "data"); die Interpretationsschritte sollten auf jeder Stufe offengelegt werden. Wir müssen uns fragen, wie sich durch nicht reproduzierbare Verfahren gewonnene Einsichten zu den Ansprüchen der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit von Wissenschaft und den FAIR-Prinzipien für Daten verhalten. Welche Rolle spielen Autoritäten und welche Algorithmen bei der Beurteilung der Werthaftigkeit von Daten und durch sie gewonnenes Wissen? Am Tag der DH 2022 der Universität Münster wollen wir vor diesem Hintergrund zusammenkommen und miteinander diskutieren, wie wir Wissen mit digitalen Mitteln generieren und welche Abstufungen zwischen der Black Box und der vollständigen Nachvollziehbarkeit und Reproduzierbarkeit von Forschungsergebnissen vorstellbar sind.