• Meine Forschung: Was treibt mich an?

    Die Lehrerperspektive

    Am Anfang eines neuen Forschungsprojektes steht häufig die Frage: Was habe ich in meiner Zeit als Chemielehrerin vermisst? Was würde ich mir heute von einem Chemiedidaktiker wünschen? Die Antwort erscheint simpel und komplex zugleich: Neue Ideen! Konzepte, die helfen, die vielfältigen Ziele eines modernen Chemieunterrichts in der Praxis zu verwirklichen!
    Kein geringer Anspruch, wenn man bedenkt, wie breit gefächert die Anforderungen an Chemieunterricht sind: Schüler sollen sich intensiv mit naturwissenschaftlichen Phänomenen auseinandersetzen, Vermutungen aufstellen, Ideen prüfen und wissenschaftliche Methoden nutzen. Dabei sollen sie digitale Werkzeuge nutzen und in inklusiven Gruppen gemeinsam lernen. Die Schüler müssen zudem lernen, chemisches Wissen in lebensweltlichen Kontexten anzuwenden und Informationen auf wissenschaftlicher Basis zu bewerten, um fundierte persönliche Entscheidungen treffen zu können. Und nicht zuletzt sollen sie natürlich auch Freude am Chemieunterricht gewinnen!
    Doch wie schafft man es, dass Schüler die Chemie wirklich durchdringen, verstehen, anwenden? Wochenlang konnte ich als Chemielehrerin über eine einzige Unterrichtsstunde nachdenken (nicht immer zur Freude des privaten Umfelds), immer auf der Suche nach der „perfekten“ Lösung, nach der einen zündenden Idee - um natürlich festzustellen, dass es den perfekten Unterrichtsansatz nicht gibt.
    Aber häufig war es doch da, das Erfolgserlebnis: Schüler, die eifrig debattierten über abstrakte Inhalte wie Weichmacher in Kunststoffen oder das korrekte Aufladen einer Autobatterie. Schüler, die zwei Stunden an einer Versuchsapparatur herumbastelten, um mir dann stolz ihre eigene kreative Lösung zu präsentieren. Oder Schüler, die zu Beginn wenig Interesse zeigten und dann mit zunehmender Begeisterung bei der Sache waren.
    Genau diese Erlebnisse treiben mich auch heute noch an: auf der Suche nach innovativen Konzepten, die Chemieunterricht verändern und zugleich praktikabel im Schulalltag umzusetzen sind.

    Die Forscherperspektive

    Um neue Ansätze für den naturwissenschaftlichen Unterricht entwickeln zu können, müssen wir verstehen, wie Schüler denken und lernen. Welche Faktoren beeinflussen den Lernprozess? Bei welchen Fachinhalten gibt es besondere Verständnisschwierigkeiten? Welche Ursachen lassen sich identifizieren? Welche Maßnahmen wirken lernunterstützend?

    Zur Untersuchung dieser Fragen stellt uns die empirische Forschung ein breites Arsenal an qualitativen und quantitativen Methoden zur Verfügung wie etwa Fragebögen, Tests oder Interviews.
    Ein methodischer Schwerpunkt in den eigenen Forschungsprojekten liegt im Bereich der Videoanalyse. Sie bietet die einmalige Chance, Lernprozesse von Schülern detailliert zu verfolgen und unter vielfältigen Fragestellungen zu erforschen.
    Die Videoanalysen helfen uns, Gelingensbedingungen für erfolgreiche Lehr-Lern-Situationen herauszuarbeiten und Zusammenhänge zwischen verschiedenen Einflussfaktoren zu beschreiben. Sie bilden zudem die Grundlage, um die entwickelten Lernumgebungen und Materialien schrittweise zu verbessern. Demgegenüber nutzen wir Prä-Post- und Kontrollgruppendesigns, um den Erfolg der entwickelten und optimierten Konzepte zu prüfen.

    Die Verbindung: Lernen in Naturwissenschaften

    Eine Verbindung von Unterrichtsinnovation und empirischer Forschung im Rahmen von Design-Based Research

    Der Forschungsschwerpunkt meines Arbeitskreises ergibt sich als logische Konsequenz der beiden geschilderten Perspektiven: eine Entwicklung von innovativen Konzepten für den naturwissenschaftlichen Unterricht oder die Lehrerausbildung in Verbindung mit der empirischen Erforschung von Lernprozessen und Lernergebnissen. Der Titel einer im Jahr 2017 ins Leben gerufenen Schriftenreihe beschreibt dies auf anschauliche Weise: Lernen in Naturwissenschaften – verstehen und entwickeln (logos-Verlag).
    Die entwickelten Konzepte fokussieren zumeist Aspekte, die zwar in den Rahmenvorgaben für Schule oder Lehrerbildung verpflichtend verankert sind, zu denen jedoch nach wie vor praktikable Ansätze fehlen. Beispiele bilden der Umgang mit Schülervorstellungen, das Lernen in inklusiven Gruppen, die Förderung von Bewertungskompetenzen, die Entwicklung von Vorstellungen zur Nature of Science, das forschende Lernen sowie die Nutzung digitaler Werkzeuge.
    Die Entwicklung der neuen Konzepte erfolgt forschungsbasiert, auf der Basis bestehender Theorien und Forschungserkenntnisse; häufig werden eigene empirische Vorstudien zum jeweiligen Thema vorangestellt. Der Entwicklungsprozess vollzieht sich zudem in enger Kooperation mit Lehrkräften, deren Erfahrungen in die Konzeption von Lernmaterialien mit einfließen. Die Konzepte und Lernmaterialien werden in einem zyklischen Prozess immer wieder erprobt, Lernprozesse und Lernerfolge mit Hilfe verschiedener empirischer Methoden untersucht und die Materialien schrittweise verbessert.

    Als methodischer Rahmen dient der Ansatz des Design-Based Research (Brown 1992; Collins 1990, 1992): Durch kontinuierliches zyklisches Vorgehen werden Interventionen wiederholt theoriebasiert entwickelt, implementiert und analysiert („Prinzip der Iteration“). Die zu entwickelnden Interventionen sind stets auf reale Bildungssituationen, z.B. in der Schule oder der Hochschule, ausgerichtet („Nutzerorientierung“). Ihre Entwicklung, Durchführung, Analyse, Reflexion und Überarbeitung erfolgt auf einer theoretischen Basis („Theorieorientierung“) und in enger Kooperation zwischen Wissenschaftlern und Praktikern.

    Neben der Entwicklung funktionierender Interventionen (Konzepte) können im Rückblick auf die zyklische Vorgehensweise übergeordnete Theorien entstehen, die sich auf andere Bildungssituationen übertragen lassen. So sind im Rahmen der eigenen Projekte zum Beispiel Theorien über den Einfluss von kollaborativem Lernen und ko-konstruierenden Gesprächen auf die Weiterentwicklung von Schülervorstellungen entstanden.

    Die Animation des Institutslogos auf der Startseite unserer Homepage veranschaulicht die zyklische Vorgehensweise in unseren Forschungsprojekten.

  • Wissenschaftliche Mitarbeiter:innen

    Valentin Engstler
    Digital Game-Based Learning im Chemieunterricht?

    Valerie Hollwedel

    Anna Klose

    Joana Konrad
    fast2slow

    Fabienne Kremer
    smart for science

    Pascal Meyer
    mathematisch-chemische Begriffe verstehen – aber wie?

    Theresa Kohne, geb. Reuschling
    Umgang mit Vielfalt – aber wie?
    Planung und Umsetzung eines problemorientierten inklusiven Chemieunterrichts.