Textsorte: Modellierungsaufgaben

Schüler fertigt eine Skizze zur Lösung einer Aufgabe an
© Valentin Bösmann

Im Zentrum des Fachprojekts Mathematik (TeMo – Textverstehen und Modellieren) stehen Aufgaben zum mathematischen Modellieren.
Die Kompetenz Mathematisch Modellieren (vgl. KMK 2004) stellt eine anspruchsvolle Übersetzung eines außermathematischen Sachverhalts in die Mathematik mit einer Rückübersetzung aus der Mathematik in die außermathematische Realität am Ende des Modellierungsprozesses dar.
Die Kompetenz Mathematisch Modellieren befähigt Lernende zur mathematischen Erschließung ihrer Umwelt.

Wahl der Textsorte und ihre Stellung im Fach

Im Mathematikunterricht kommt den Textaufgaben eine tragende Rolle zu (vgl. Abshagen 2015; Verschaffel et al. 2020).
Ein Subtyp der Textaufgaben ist die Modellierungsaufgabe, also diejenigen Aufgaben, mit denen die Kompetenz des mathematischen Modellierens gefördert werden soll.
Die Besonderheit von Modellierungsaufgaben liegt darin, dass von einem Problem in der Realität ausgegangen wird, das mit mathematischen Methoden gelöst werden soll.
Im Vergleich mit anderen Subtypen von Textaufgaben wird also in der Aufgabenentwicklung eine umgekehrte Denkstruktur angelegt, da nicht vom mathematischen Inhalt aus gedacht wird, zu dem eine passende Realsituation gesucht wird.
Modellierungsaufgaben zeichnen sich dabei besonders durch authentische Problemstellungen aus, die aufgrund der Textkomplexität bei Lernenden potentielle Verstehensschwierigkeiten hervorrufen können.

Um mit dem in der Aufgabe beschriebenen Sachverhalt mathematisch arbeiten zu können, muss das Verstehen des Aufgabentextes jedoch über ein oberflächliches Verstehen hinausgehen und der Kontext ernstgenommen werden.
Darunter ist zu verstehen, dass für das Lösen der Aufgabe nicht nur die im Aufgabentext enthaltenen Zahlinformationen durch mathematische Operationen miteinander kombiniert werden müssen, sondern aus dem realweltlichen Kontext zusätzliche Informationen in Form von zu treffenden Annahmen über fehlende Informationen in die mathematische Modellierung des Problems integriert werden müssen.

Am Beispiel der Aufgabe Fallschirmsprung wird dies daran deutlich, dass die zu berechnende durch den Fallschirmspringer zurückgelegte Flugstrecke von der Windgeschwindigkeit abhängt, zu der die Lernenden eine Annahme treffen müssen.
Insofern stellen Modellierungsaufgaben in besonderem Maße Verstehensanforderungen an die Schülerinnen und Schüler, deren Bewältigung Gegenstand einer gezielten Förderung im Mathematikunterricht sein sollte.

Aufgabe "Fallschirmsprung"
© Schukajlow/Böswald

Charakteristik der Modellierungsaufgabe als diskontinuierlicher Text

In Modellierungsaufgaben muss die Realsituation vollständig verstanden werden, um die Aufgabe lösen zu können.
Die Art und Weise der Präsentation dieser Realsituation für die Lernenden kann jedoch unterschiedlicher Natur sein. Oft werden zusätzlich zu den verbalen Informationen im Aufgabentext auch Graphen, Tabellen, Diagramme oder Bilder angeboten, die für die Modellierungsaufgabe als Informationsträger fungieren. Allerdings gibt es vereinzelt Modellierungsaufgaben, die nur aus einem Text bestehen und somit den kontinuierlichen Texten zuzuordnen sind.

Im Rahmen des TeMo-Projekts werden nur solche Modellierungsaufgaben verwendet, deren Verstehen auch die Integration von diskontinuierlichen Elementen erfordert.
Insofern sind Modellierungsaufgaben im Allgemeinen diskontinuierliche Texte, die von den Lernenden eine Lesekompetenz im Sinne von Schnotz und Dutke (2004) erfordern, in der neben dem Verstehen von rein verbalen Informationsträgern auch das Verstehen von piktorialen und anderen Informationsträgern enthalten ist.
Am Beispiel der Aufgabe Fallschirmsprung zeigt sich diese Charakteristik darin, dass der kontinuierliche Teil des Textes, also derjenige Teil, in dem die Situation des Fallschirmspringers beschrieben und der seitliche Abtrieb erläutert wird, mit dem diskontinuierlichen Teil, der Tabelle mit dem Abtrieb aufgeschlüsselt nach den verschiedenen Windgeschwindigkeiten, aufeinander bezogen werden müssen.
Die Notwendigkeit für diesen reziproken Bezug ergibt sich aus der Aufgabenstellung, da je nach Windgeschwindigkeit der Abtrieb und somit der gesamte Fallschirmsprung von unterschiedlicher Dynamik sind.