Die Karte im Geographieunterricht

Thematische Karte der Kilimandscharo-Region
Kilimanscharo/Meru (Tansania) | Natur- und Kulturlandschaft
© Diercke
Legende zur Karte der Kilimandscharo-Region
Legende
© Diercke

Im Zentrum des Fachprojekts Geographie steht die Karte als zentrales Medium raumbezogener Informationen. Karten sind in besonderem Maße in der Lage, eine Vorstellung über räumliche Strukturen, Funktionen und Prozesse grafisch zu transportieren; ihrer kompetenten Auswertung kommt daher eine große Bedeutung in der Kommunikation fachlich-raumbezogener Inhalte zu.
Um die für den Geographieunterricht typischen Fragestellungen nach der Raumwirksamkeit von Mensch-Umwelt-Beziehungen in den Fokus zu stellen, bilden entsprechende thematische Karten sowie darauf bezogene fachliche Fragestellungen das Fundament der Förderung des kartenbezogenen Textverstehens (Lesen und Verstehen sog. diskontinuierlicher Texte) im Projekt.

Exemplarisch werden die kartenbezogenen Aspekte des Praxisprojekts anhand der Karte Kilimanscharo/Meru (Tansania) | Natur- und Kulturlandschaft (mit freundlicher Genehmigung des Bildungshaus Schulbuchverlage 2015, 151) erläutert. 

Charakteristik der Karte als diskontinuierlicher Text

Die auf das kartenbezogenen Textverstehen ausgerichtete Kartenauswertungskompetenz zielt auf fragengeleitete Lese-, Interpretations- und Transformationsprozesse, die einen planvollen, strategischen Zugriff voraussetzen. Die Vermittlung der entsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten obliegt im Aktionsraum Schule dem Geographieunterricht, der die Kartenauswertung im Rahmen der Förderung der räumlichen Orientierungskompetenz als eigenen Kompetenzbereich in den nationalen Bildungsstandards des Faches ausweist (vgl. DGfG 2017).

Grundsätzlich kann zwischen kontinuierlichen und diskontinuierlichen Texten unterschieden werden. Unter ersteren werden fortlaufend geschriebene Texte verstanden, unter letzteren Texte, bei denen dies nicht der Fall ist, wie z. B. bei Diagrammen, Tabellen oder eben auch Karten, die durch ihre Art der Informationsdarbietung zusätzlich zur rein textuellen auch eine bildlich-grafische Rezeption herausfordern (vgl. Artelt et al. 2001).
Damit vereinen diskontinuierliche Texte grafische (im Falle der Karte: Größe, Textur, Form, Farbe und Helligkeit) und textuelle Aspekte bzw. Elemente (im Falle der Karte z. B. Beschriftungen und Legende) auf die Art und Weise, dass sie aufeinander verweisen (vgl. Krämer 2007), Kartenlesende müssen diese Elemente daher im Rahmen des Leseprozesses aktiv aufeinander beziehen (vgl. Ballstaedt 2005).

Die Diskontinuität von Karten ist dabei vor allem in ihrem chorographischen Charakter begründet, d. h. der Anordnung von räumlichen Informationen in räumlicher Form: Während sequenzielle Texte mit Worten wie „westlich“, „südlich“ etc. arbeiten müssen, um Raumrelationen wiederzugeben, besitzen Karten Struktureigenschaften, die vielfach mit der realen Raumsituation übereinstimmen (vgl. Diekmann-Boubaker 2010).

Vorteile diskontinuierlicher Texte bei der Darstellung raumbezogener Informationen

Die kartographische Darstellung entspricht einem gleichzeitig vorliegenden und wahrnehmbaren, räumlichen Nebeneinander von Objekten und Sachverhalten. Mehr als kontinuierliche Texte sind diskontinuierliche Texte also in der Lage, Struktureigenschaften des Dargestellten durch die Darstellung selbst zu transportieren. Jedes Kartenzeichen hat dabei sowohl lokalisierenden als auch beschreibenden/benennenden Wert (‚Wo befindet sich was?‘), zwei gestaltgleiche Objekte in der Karte referieren also auch auf verschiedene Objekte/Objekteigenschaften, während gleiche Phrasen im kontinuierlichen Text auf dasselbe Objekt verweisen können (vgl. Schmauks 1998). Systeme aus symbolischen Zeichen haben daher den Vorteil, dass sie robustere, sparsamere Repräsentationsmöglichkeiten bieten als sequenzielle Texte, die in ihrer linearen Anordnung häufig Wiederholungen gebrauchen müssten, um verständlich zu sein (vgl. Diekmann-Boubaker 2010).

Da eine solche Art der dichten, bildhaften Darstellung grafisch-kognitive Prozesse der Wissensaufnahme und -verarbeitung des Kartennutzers bzw. der Kartennutzerin mit herausfordert (vgl. Heidmann 1999), ist es möglich, kartographisch aufbereitete Informationen schneller und nachhaltiger aufzunehmen als aus einem kontinuierlichen Text, der die räumlichen Verhältnisse sequenziell beschreibt. So erfolgt bei der Kartennutzerin bzw. dem Kartennutzer im Idealfall eine mentale Strukturabbildung der kartographischen Darstellung, die direkt als bildhaftes Modell des in der Karte dargestellten Raums gespeichert werden kann (vgl. Schnotz & Bannert 2003).