Karsten Igel
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Markt

Mit dem Begriff „Markt“ verbinden sich die abstrakten Formen und Organisationen des Handels einerseits und die dazu notwendigen Orte und Einrichtungen andererseits. Hinzu kommt eine für Aufsicht und Organisation des Marktverkehrs notwendige Instanz. Grundsätzlich zu unterscheiden ist zwischen Fernhandels- und Nahhandelsmärkten sowie zwischen periodischen Märkten (Jahrmärkten, Messen oder auch Wochenmärkten) und permanenten Markteinrichtungen. Davon zu trennen ist der Handel, der abseits vom eigentlichen Markt stattfand.

Das Recht, Märkte einzurichten, wurde unter den Karolingern als Marktregal zu einem königlichen Recht. So kam es seit dem 9. Jh. und dann vor allem in ottonischer und frühsalischer Zeit zur Verleihung zahlreicher Marktprivilegien, häufig zugunsten von Bischöfen und Klöstern (z.B. Corvey). Damit verbunden waren meist Münz- und Zollprivilegien, um Zahlungsmittel bereitstellen und Einnahmen abschöpfen zu können. Später lag das Recht in fürstlichen Händen. An das Marktregal und die verliehenen Marktprivilegien war zudem die Aufgabe geknüpft, für Frieden und Ordnung auf den Märkten sowie auf den Wegen dorthin zu sorgen. Als Vorbild für die Verleihung von Marktrechten fungierten oftmals ältere Märkte (z.B. Mainz und Köln). Dadurch wurde aber kein fester Rechtsrahmen gesetzt, sondern ein Handlungsrahmen, in dem sich der örtliche Ablauf des Marktverkehrs entwickeln konnte. So organisierten Kaufleute das Marktgeschehen schon früh selbst und lösten Streitigkeiten untereinander in Eigenregie (z.B. in Halberstadt).

Vom frühen bis zum Hochmittelalter boten die Jahrmärkte das wichtigste Forum für den Fernhandel. Terminiert waren sie häufig an Tagen, an denen sich ohnehin eine größere Menschenzahl versammelte, wie zum Kirchweihtag (Kirmes) und zu den bischöflichen Synoden (Send). Bedeutendere Jahrmärkte, wie die Champagnemessen, mit ihrer Blütezeit im 12. und 13. Jh. fanden innerhalb einer Region in zeitlicher Folge statt, damit die Kaufleute an den verschiedenen Messen teilnehmen konnten. Solche Messesysteme boten das Fundament des wachsenden europäischen Fernhandels und Zahlungsverkehrs. Ab dem 13. und 14. Jh. wurden sie von den großen Wirtschaftszentren (Brügge, Lübeck) und neuen überregionalen Messen (Frankfurt a.M.) abgelöst. Der Großteil der Jahrmärkte in kleineren und mittleren Städten hatte als Verbindung zum Fernhandel dagegen vor allem eine regionale Verteilerfunktion. Diese Märkte umfassten sowohl einen Großhandel zwischen Kaufleuten, der meist auf feste Zeiträume begrenzt wurde, und den Einzelhandel für die Einwohner der Stadt und ihres Umlandes. Angesichts der großen Besucherzahlen hatten die Jahrmärkte zugleich einen Volksfestcharakter. Die großen Menschenaufläufe führten zu Konflikten über den Markthandel hinaus, die insbesondere in der Frühen Neuzeit Anlass für Policey-Ordnungen zur Regelung des Marktbetriebes gaben.

Auf einen engeren Umkreis blieben die Wochenmärkte beschränkt, zu denen Kaufleute aus nah gelegenen Städten kamen und die Käufer aus der Stadt und ihrem ländlichen Umfeld aufsuchten. Feste Markteinrichtungen boten schließlich den Raum für den alltäglichen Handel mit Lebensmitteln und vor Ort gefertigten handwerklichen Produkten oder von einheimischen Kaufleuten importierten Waren. Zur Versorgung, aber mehr noch zur Steigerung der Einnahmen aus Handel und Steuern diente das Stapelrecht in bedeutenderen Handelsstädten. Damit wurden durch- oder vorbeiziehende Kaufleute gezwungen, ihre Waren für einen festgelegten Zeitraum in der Stadt zum Kauf anzubieten, wozu sie in Kaufhäusern eingelagert werden konnten. Ein Stapelrecht konnte sich auch auf bestimmte Waren (z.B. Getreide-, Weinstapel) beziehen, die innerhalb einer Region nur von einer Stadt aus weitergehandelt werden durften. Dagegen konnte eine Kaufleuten aus anderen Städten gewährte Zollfreiheit deren Handel auch bewusst in kleinere Städte locken.

Die mittelalterlichen Stadtmärkte waren anfangs weniger Plätze als ein System aus verschiedenen Bauten, Straßen und Gassen. Je nach Größe der Stadt fand sich neben den Rathäusern mit ihren wirtschaftlichen Funktionen eine Vielzahl von Marktbauten. Zu den wichtigsten Einrichtungen gehörten die Brot- und Fleischbänke (auch Scharren genannt), deren Nähe zum Rathaus eine bessere Kontrolle von Preis, Größe und Qualität erlaubte. Wein als wichtige Steuerquelle musste häufig im städtischen Weinkeller oder Weinhaus eingelagert werden. Wolltuch wurde von den zum Detailhandel privilegierten Tuchhändlern (Gewandschneidern) im Gewandhaus gehandelt. Die Krämer und Höker als wichtige Einzelhändler fanden wie andere Handwerker und Händler ihren Standort in Marktbuden, die sich in Gassen um den Marktbereich gruppierten, oder in städtischen Kaufhäusern. Produkte, die keiner unmittelbaren Kontrolle unterlagen, wurden zunehmend auch aus den eigenen Häusern aus dem Fenster (Fensterladen) heraus verkauft. Gehandelt werden durfte aber nur innerhalb eines fest durch die Stadtmauer oder durch Marktzeichen markierten Bereichs. Ein Handelsgeschäft jenseits dieser Grenze war innerhalb eines bestimmten Umkreises der Stadt rechtswidrig und wurde als sog. Vorkauf bestraft. Je nach Ware und Menge musste zudem die städtische Waage gegen Gebühr benutzt werden, die zugleich als Eichinstanz für die Waagen der Händler diente. Die Vertreter von Rat und Stadtherr wachten nicht nur über Maße, Gewichte und Qualität, sie zogen auch Zölle und Akzisen von den gehandelten Waren ein. Als indirekte Steuern bildeten sie eine der wichtigsten kommunalen Einnahmequellen. In größeren Städten bestanden neben dem (Haupt-)Markt noch weitere Spezialmärkte wie Obst- und Weinmärkte, Salz- oder Hopfenmärkte. Makler vermittelten in bedeutenderen Handelsstädten den Handel zwischen verschiedenen auswärtigen Kaufleuten in Tavernen und Herbergen.

Gegenüber dem alltäglichen Markthandel beanspruchten die Jahrmärkte und Messen zusätzlichen Raum. Die Stände der auswärtigen Händler fanden Platz in Zelten auf den Märkten und Kirchhöfen, in den städtischen Kaufhäusern, im Rathaus, aber auch in Kirchen und selbst den Kreuzgängen der Kathedralen (z.B. in Brixen, Osnabrück). Gerade Viehmärkte fanden auch außerhalb der Stadtmauern statt.
Nachdem sich im Verlauf des Spätmittelalters der Markthandel stärker auf größere Kaufhausbauten konzentrierte und gleichzeitig auch in die Häuser der Handwerker und Händler stadtweit dezentralisierte, wurden andere Verkaufseinrichtungen überflüssig. In der Folge wurden gerade im 15. Jh. ältere Marktbudenzeilen abgerissen. Die Freiflächen boten Raum für neue Repräsentationsmöglichkeiten mit der Anlage großzügiger Plätze und breiter Straßenzüge, die mit Brunnen und den Fassaden der umgebenden kommunalen Bauten repräsentativ ausgestaltet wurden (z.B. in Bern, Osnabrück).

Karsten Igel (1.9.2014)

Literaturhinweise

 

  • Calabi, Donatella: The Market and the City. Square, Street and Architecture in Early Modern Europe (Historical Urban Studies), Aldershot 2004.
  • Fenske, Michaela: Marktkultur in der Frühen Neuzeit. Wirtschaft, Macht und Unterhaltung auf einem städtischen Jahr- und Viehmarkt, Wien [u.a.] 2006.
  • Isenmann, Eberhard: Die deutsche Stadt im Mittelalter 1150–1550. Stadtgestalt, Recht, Verfassung, Stadtregiment, Kirche, Gesellschaft, Wirtschaft, Wien [u.a.] 2012.
  • Meckseper, Cord: Kleine Kunstgeschichte der deutschen Stadt im Mittelalter, Darmstadt 1982.

Diese und weitere Literaturangaben sind zu finden in der Mediensuche.