Untersuchung zu Gräbern der Sechs Dynastien (220-589) am Yangzi-Mittellauf (Provinzen Hubei, Hunan, Jiangxi)
Projektleitung: | Dr. Annette Kieser |
Drittmittelgeber: | DFG (Sachbeihilfe, Einzelförderung) |
Förderkennzeichen: | KI 1495/2-1 |
Laufzeit: | Juni 2016 bis Mai 2022 |
Weiterführende Links: | Zum Projekt im Forschungsportal der Universität Münster Zum Projekt in GEPRIS |
In den letzten Jahrzehnten vollzieht sich in der archäologischen Forschung Chinas ein Paradigmenwechsel hinsichtlich einer Abkehr von der Fokussierung auf die kulturellen Zentren der Vergangenheit hin zur Erforschung einzelner Regionen, deren Ergebnisse dem Bild der tradierten Geschichtsschreibung neue Facetten hinzufügen. Besonders fruchtbar erscheint ein vom Zentrum abrückender Ansatz für die Zeit der Sechs Dynastien (220 bis 589), als das ehemalige Einheitsreich der Han in mehrere, teilweise nicht-chinesisch regierte Reiche zerfallen war. Vor allem im Süden dominiert die Hauptstadt Jiankang (heute Nanjing) in der Dynastiegeschichtsschreibung als politisches und kulturelles Kerngebiet und wird daher bis heute mit besonderer Aufmerksamkeit bedacht.
Immer mehr wird jedoch evident, dass gerade das Yangzi-Mittellaufgebiet für die Geschichte der Sechs Dynastien von zentraler Bedeutung war. Es handelte sich um eine bevölkerungsreiche Zone der Migration und Interaktion, in der andere soziale Gruppen als in der Hauptstadt agierten. Es waren grenznahe, umkämpfte Gebiete, durch ihre strategische Lage an den Handelsstraßen und Verkehrswegen von enormer wirtschaftlicher, politischer und militärischer Relevanz. Hier entstanden sekundäre Zentren, die häufig in Konkurrenz zur Hauptstadt Jiankang standen.
Das beantragte Projekt möchte durch eine systematische Untersuchung der materiellen Hinterlassenschaften am Yangzi-Mittellauf (Provinzen Hubei, Hunan und Jiangxi) das vornehmlich aus Schriftquellen rekonstruierte Bild dieser Region, die bislang meist im Schatten der auf Jiankang ausgerichteten Forschung stand, erweitern und reevaluieren. Als Grundlage hierfür dienen archäologisch untersuchte Grabanlagen der besagten Region aus der Zeit der Sechs Dynastien. Im Mittelpunkt stehen folgende Fragen: Welchen Erkenntnisgewinn kann der archäologische Befund über das aus tradierten Quellen Bekannte hinaus liefern? Spiegeln sich die strategische Lage, die sozialen Spannungen und Transformationen sowie die politischen Entwicklungen auch im archäologischen Material wider? Was kann die Grabkultur eines Teiles der Elite über ein Gebiet, das von solch vielfältigen Spannungen wie skizziert geprägt war, aussagen?
Das Projekt wird das Fundaufkommen anhand der Grabungsberichte datentechnisch erfassen, analysieren und unter Berücksichtigung der Schriftquellen in den historischen Kontext setzen. Als Referenzmaterial dienen von der Antragstellerin bereits datentechnisch erschlossene Gräber anderer südchinesischer Regionen, insbesondere der hauptstädtischen. Ziel der Untersuchung ist neben der Einbindung des archäologischen Befundes am Yangzi-Mittellauf in das tradierte Bild der Geschichte des Südens während der Zeit der Sechs Dynastien eine für sich stehende Darstellung der dortigen Bestattungskultur. Die Ergebnisse werden in Form einer Monographie publiziert.