Beteiligung am Exzellenzcluster
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Das Verhältnis von Religiosität und Verschwörungsglauben ist in den letzten Jahren in der sozialwissenschaftlichen Literatur verstärkt diskutiert worden. Häufig wird dabei die These vertreten, dass Religion in den letzten Jahrzehnten an gesellschaftlicher Bedeutung verloren habe und die Menschen daher mit einem gewissen kulturellen Vakuum konfrontiert seien. Die damit verbundenen Herausforderungen kontingenter und ambiger Situationen werden nun unter anderem durch Verschwörungsglauben "gelöst". Während vormals Gott und Teufel als Ursachen für unverständliche und bedrohliche politische Entwicklungen herangezogen wurden, werden nun Verschwörungstheorien als umfassende Erklärungen entworfen. Verschwörungstheorien ließen sich demnach als "Ergebnis der Verweltlichung religiösen Aberglaubens" (Karl Popper) definieren.
Diese Diskussion wurde durch die Corona-Pandemie und die vielfältigen Anti-Impf-Kampagnen in Deutschland und international erneut entfacht. Denn es konnte festgestellt werden, dass ein nicht unerheblicher Teil der Demonstrierenden dem spirituellen bis esoterischen Milieu zuzuordnen war. Daher wurde vermehrt die Frage aufgeworfen, ob insbesondere alternative und außerkirchliche Formen von Religiosität bzw. "Spiritualität" anfällig für Verschwörungstheorien seien.
In meiner Doktorarbeit möchte ich diesen Themenkomplex näher beleuchten. Einen ersten Fokus lege ich dabei auf messtheoretische Fragen. Im Hinblick auf den Wandel religiöser und spiritueller Überzeugungen ist es mein Ziel, eine konzeptionell symmetrische quantitative Skala zu entwickeln, die eine valide Messung von "Religiosität" und "Spiritualität" erlaubt. Dies ist erforderlich, um eine trennscharfe Unterscheidung zu ermöglichen, ohne von einem (empirisch bereits mehrfach widerlegten, aber theoretisch dennoch häufig implizierten) inhärenten Widerspruch der beiden Glaubensformen auszugehen. In Bezug auf den Verschwörungsglauben interessiert mich außerdem vor allem seine psychometrische Abgrenzung vom allgemeinen politischen Misstrauen. Denn während Verschwörungsglauben zwar notwendigerweise auf Misstrauen aufbaut, halte ich es für entscheidend, die beiden Phänomene dabei nicht zu vermengen.
Schließlich möchte ich dann den Zusammenhang von Religion und Verschwörungsglauben empirisch untersuchen: Sind religiöse oder spirituelle Menschen anfälliger für Verschwörungstheorien? Spielt die Entkirchlichung dabei eine Rolle? Und welche Rolle spielt Religion im Kontext von Krisenwahrnehmungen, einem allgemein akzeptierten Katalysator für Verschwörungsglauben? Kann sie tatsächlich Halt geben und Sinn stiften oder wirkt sie eher polarisierend?
Zur Beantwortung dieser Fragen werde ich neben multivariaten Analysemethoden von Umfragedaten zusätzlich experimentelle und auch qualitative Methoden einsetzen.