(C2-28) Evangelische Theologinnen und Theologen als Parlamentarier
Die Tätigkeit von Theologinnen und Theologen als Vertreter unterschiedlicher Parteien in den Parlamenten deutscher Staaten bildet seit der Frankfurter Nationalversammlung eine wesentliche, aber für die evangelische Kirche weitgehend unerforschte Schnittstelle von Religion und Politik. Ziel des Projektes ist es, durch eine umfassende Bestandsaufnahme der parlamentarischen Tätigkeit evangelischer Theologinnen und Theologen seit 1848 die wechselseitigen Rückkoppelungseffekte zwischen politischem Handeln und theologischem Denken zu analysieren. Von besonderem Interesse ist dabei die Frage, inwiefern die politische Partizipation evangelischer Theologinnen und Theologen an demokratischen Strukturen einen Beitrag zur Anerkennung des politischen Pluralismus durch den lange Zeit volks- und monarchiefixierten Protestantismus in Deutschland leistete.
Im Rahmen einer Pionierstudie wird derzeit in einem historischen Längsschnitt die parlamentarische Tätigkeit von drei ausgewählten Theologen untersucht: Rudolf Otto (1913–1918 Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses [Nationalliberal]; 1919 Mitglied der Verfassung gebenden Preußischen Landesversammlung [DDP]), Magdalene von Tiling (1921–1930 Mitglied im Preußischen Landtag; 1930–1933 Mitglied im Deutschen Reichstag für die DNVP) und Heinrich Albertz (1947–1955 Mitglied des niedersächsischen Landtages; 1963–1970 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses für die SPD; hohe Regierungsämter in Niedersachsen und West-Berlin; Mitglied der Grundsatzkommission der SPD) stehen für drei unterschiedliche Stadien der deutschen Demokratiegeschichte und für eine in der Epoche jeweils vorzügliche parteipolitische Orientierung von evangelischen Theologen. Durch die umfassende Analyse der politisch-parlamentarischen Arbeit dieser drei evangelisch-theologischen Politiker will die Pionierstudie erste Entwicklungen mit Blick auf die parteipolitische Orientierung, die fachpolitischen Aufgaben, die theologische Ausrichtung und die kirchliche Akzeptanz der demokratischen Partizipation nachzeichnen.