Forschungsprojekt „Asking the Pope for Help“
Kirchenhistoriker Hubert Wolf und Team arbeiten jüdische Bittschreiben an den Papst auf – Digitale Edition für die Öffentlichkeit – Forschungen am Exzellenzcluster zu Rumänien und Brasilien
Tausende jüdische Menschen schrieben im Zweiten Weltkrieg Briefe an die katholische Kirche und baten um Unterstützung für die Flucht aus Deutschland. Im Forschungsprojekt „Asking the Pope for Help“ arbeitet Kirchenhistoriker Hubert Wolf mit seinem Team an der Universität Münster die tausenden Bittschreiben auf, die in den vatikanischen Archiven lagern, systematisiert sie und bereitet sie in einer digitalen Edition für die Öffentlichkeit auf. Der Exzellenzcluster „Religion und Politik“ ist an dem Großprojekt mit Forschungen zu Rumänien und Brasilien beteiligt.
Die Bittschreiben stammen sowohl von getauften als auch nichtgetauften Menschen jüdischer Herkunft aus zahlreichen Ländern Europas. Einen Schutz vor Verfolgung bot das Sakrament der Taufe während der Shoah jedoch nicht – außer in Rumänien. Mithilfe bislang unbekannter vatikanischer Quellen wird die Theologin
Lorena König in ihrer Dissertation am Exzellenzcluster die Sonderstellung Rumäniens untersuchen und analysieren, welche Vorgänge zahlreiche zum katholischen Glauben konvertierte Jüdinnen und Juden vor der Deportation in ein Vernichtungslager schützte.
Lorena König beschäftigte sich bereits in ihrer Magisterarbeit mit der Taufe rumänischer Jüdinnen und Juden während der Shoah. Sie zeigt auf, dass es in Rumänien zur Zeit der Shoah die gleichen Rassegesetze wie in vielen anderen, von den Nationalsozialisten okkupierten Ländern galten, es aber Andrea Cassulo, dem apostolischen Nuntius vor Ort gelang, durch geschickte Argumentation getaufte Juden in den Schutz der katholischen Kirche zu stellen. In den neu zugänglichen Akten des Apostolischen Vatikanischen Archives befinden sich neben den Akten zu dieser Thematik auch zahlreiche Bittschreiben von Jüdinnen und Juden an den Nuntius, Korrespondenzen mit staatlichen und kirchlichen Autoritäten und einige Nuntiaturberichte an den Vatikan.
In dem aktuellen Forschungsvorhaben wird sie zunächst die einschlägigen Bittschreiben verzeichnen und das weitere Schicksal der Verfasserinnen und Verfasser recherchieren, um die Handlungsspielräume, Netzwerke und Möglichkeiten des Nuntius zu erforschen. Diese Bittschreiben werden ebenfalls in der Online-Edition des Projekts „Asking the Pope for Help“ veröffentlicht. Auch mögliche Unterschiede, die in Rumänien oder im Vatikan selbst zwischen getauften und nichtgetauften Menschen jüdischer Herkunft gemacht wurden, werden so erkennbar. Darüber hinaus wird sie bisher unbekanntes Material zur lehramtlichen Grundsatzdebatte über die Vorschrift einer einjährigen Vorbereitungszeit auf die Taufe aufarbeiten, die angesichts der Umstände im Heiligen Offizium – der obersten römischen Glaubensbehörde – entbrannte.
In einem weiteren vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ geförderten Teilprojekt werden die Möglichkeiten und Grenzen von 3.000 Visa, die Brasilien dem Heiligen Stuhl für die Einreise getaufter Juden seit 1940 zur Verfügung stellte, untersucht. Da die Stelle zunächst nicht besetzt werden konnte, wird das Teilprojekt daher zunächst durch das Projektteam weitergeführt.
Über das Projekt „Asking the Pope for Help“
Rund 15.000 jüdische Menschen aus ganz Europa baten während des NS-Regimes Papst Pius XII. und den Vatikan um Hilfe. Emotional schildern sie Gräuel, Verfolgung und Todesangst. Im Forschungsprojekt „Asking the Pope for Help“ erfassen der Kirchenhistoriker Prof. Dr. Hubert Wolf und sein Team der Universität Münster diese Bittschreiben, die in den vatikanischen Archiven lagern, und bereiten sie in einer kommentierten digitalen Edition für die Öffentlichkeit auf. (aph/exc/vvm)