„Die Vereindeutigung der Welt“

Arabist Thomas Bauer legt Essay zum Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt vor

Buchcover
© Reclam

Über den Hang zur „Vereindeutigung der Welt“ in gegenwärtigen westlichen Gesellschaften hat der Arabist Prof. Dr. Thomas Bauer vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ einen gleichnamigen Essay herausgegeben. Das Buch ist in der Reclam-Reihe „Was bedeutet das alles?“ erschienen und bereits mehrfach positiv besprochen worden. Der Autor zeigt darin anhand vielfältiger Beispiele aus Politik, Kunst, Musik, Literatur, Religion und Wirtschaft eine Tendenz auf, Vielfalt zu reduzieren und Unerwartetes und Unangepasstes zurückdrängen. Bauer warnt vor den Folgen des Verlustes an Vielfalt, der in einer „fundamentalistischen Vereindeutigung“ oder einer „bedeutungsnegierenden Gleichgültigkeit“ ende. Beides bedrohe freie demokratische Gesellschaften.

Der Autor setzt seiner Zeitdiagnose viele Bespiele für eine höhere „Ambiguitätstoleranz“ in Gesellschaften der Vormoderne entgegen. Unter dem Begriff versteht er die Fähigkeit oder Unfähigkeit eines Menschen oder einer Gesellschaft, Mehrdeutigkeit auszuhalten, einander widerstreitende Werte und Wahrheiten nebeneinander stehen zu lassen, ohne auf die Geltung der eigenen Überzeugung zu pochen. Bauer hat das Wort aus der Psychologie auf die Ebene kultureller Mentalitäten übertragen und damit einen Begriff geprägt, der zu einem Neuverständnis des Islams geführt hat und zum hermeneutischen Schlüssel in den Kulturwissenschaften geworden ist. (vvm)

Hinweis: Bauer, Thomas: Die Vereindeutigung der Welt. Über den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt (=[Was bedeutet das alles?]), Stuttgart: Reclam 2018, 104 S., ISBN 978-3-15-019492-8, 6,00 Euro