Martin Luther als deutsch-nationaler Held im Stummfilm
Neue Reihe „Luther – Ein Film der deutschen Reformation“ am Exzellenzcluster in Münster – Stummfilmkonzert mit Stephan Graf von Bothmer am 14. November – Historische Luther-Filme zeigen den Reformator im zeitgenössischen Spiegel
Pressemitteilung des Exzellenzclusters vom 30. Oktober 2017
Im Jahr des Reformationsjubiläums lädt der Exzellenzcluster „Religion und Politik“ zu einer Reihe mit Stummfilmkonzert und Vortrag zum Historienfilm „Luther – Ein Film der deutschen Reformation“ ein. Der Film des Regisseurs Hans Kyser aus dem Jahre 1927, der lange Zeit als verschollen galt, ist erst seit diesem Jahr in einer rekonstruierten, digitalen Fassung wieder zugänglich. Die Abende widmen sich der theologischen, politischen und musikalischen Bedeutung des Werkes. „Der Stummfilm zeigt Luther als deutschen Helden des Protestantismus und spiegelt die gesellschaftlichen Spannungen der 1920er Jahre“, erläutert der evangelische Theologe Prof. Dr. Arnulf von Scheliha, der die Reihe organisiert. „Der Film lässt erkennen, wie sich religiöse und politische Deutungen von Gegenwart und Geschichte gegenseitig beeinflussen können.“
Im Stummfilmkonzert am Dienstag, 14. November, wird der Berliner Pianist Stephan Graf von Bothmer den Historienfilm in einer eigenen Komposition vertonen. In der Vorwoche führt am Dienstag, 7. November, der evangelische Kirchenhistoriker Prof. Dr. Albrecht Geck von der Universität Osnabrück unter dem Titel „Luther im Film“ ins Thema ein. Er beleuchtet darin die sich wandelnden Lutherportraits der Filmliteratur. Der Vortrag ist ab 19.00 Uhr im Hörsaalgebäude des Exzellenzclusters, Hörsaal JO 1, Johannisstraße 4 in Münster zu hören. Das Stummfilmkonzert in der Folgewoche beginnt um 19.00 Uhr in der Evangelischen Universitätskirche (Observantenkirche), Schlaunstraße 3 in Münster. Eintrittskarten zum Konzert sind für 5 Euro, ermäßigt 3 Euro, ausschließlich an der Abendkasse ab 18.30 Uhr zu erwerben.
Patriotismus nach dem Ersten Weltkrieg
Der politisch und religiös motivierte Film „Luther – Ein Film der deutschen Reformation“ entstand 1927 auf Initiative der damals national geprägten Vereinigung „Evangelischer Bund“, wie Prof. Scheliha ausführte. „Der Film sollte der Jugend nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg einen von deutsch-nationalem Geist getragenen Patriotismus vermitteln.“ Regisseur Hans Kyser inszenierte in dem biografisch angelegten Film idyllische Jugendszenen ebenso wie die dunklen Seiten im Leben des Reformators, so der Wissenschaftler. „Einige anti-katholische Szenen des Filmes führten bei der Uraufführung in Nürnberg zu heftigem Streit zwischen Katholiken und Protestanten und zu Zensurauflagen, weil sich die katholische Kirche offiziell beschwerte.“
Der Film setzt sich dem Theologen zufolge künstlerisch mit gesellschaftlichen Entwicklungen der 1920er Jahre auseinander. Prof. Scheliha: „Die Wittenberger Unruhen von 1532 etwa werden als marxistische Arbeiterbewegung stilisiert und in vielen Massenszenen wird die als trostlos empfundene gesellschaftliche Wirklichkeit der 1920er Jahre reflektiert, gegen die Luthers Glaube eine ideale Gegenwelt errichtet.“ Auch andere Verfilmungen thematisieren das Leben des Reformators nie geschichtslos, sondern immer im Kontext der sich ändernden politischen und gesellschaftlichen Strömungen.
Vertonung an der Kirchenorgel
Der Komponist und Pianist Stephan Graf von Bothmer gehört zu den bekanntesten Stummfilmpianisten weltweit, so Prof. Scheliha. „Er zeichnet sich durch hervorragendes pianistisches Können, improvisatorischen Wagemut und souveräne Zusammenführung klassischer und moderner Traditionen aus.“ Erstmals vertonte er den Stummfilm „Luther – Ein Film der deutschen Reformation“ bei der Erstaufführung der rekonstruierten Fassung in Berlin im Januar 2017.
Der Exzellenzcluster „Religion und Politik“ veranstaltet die öffentliche Reihe in Kooperation mit dem Institut für Ethik und angrenzende Sozialwissenschaften der Universität Münster und mit dem Evangelischen Forum Münster e.V.. Prof. Scheliha leitet am Exzellenzcluster das Forschungsprojekt „Evangelische Theologinnen und Theologen als Parlamentarier“. (ill/vvm)