„‚Inquisition‘ ist keine ironische Erfindung von Scorsese“

Religionswissenschaftler sieht im neuen Film „Silence“ die historische Wirklichkeit wiedergegeben: brutale Christenverfolgung in Japan, entgegen verbreiteter Vorstellungen vom friedlichen Buddhismus – Scorsese lässt provokante Missionierungsfragen aus der Buchvorlage außen vor

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Prof. Dr. Perry Schmidt-Leukel
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Der neue Film „Silence“ von US-Regisseur Martin Scorsese über die Verfolgung von Christen durch japanische Buddhisten zeigt Forschern zufolge die historische Wirklichkeit „entgegen verbreiteter Vorstellungen vom immer friedlichen Buddhismus“. Das schreibt Religionswissenschaftler Prof. Dr. Perry Schmidt-Leukel vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Uni Münster in einem Beitrag für www.religion-und-politik.de. Religiös motivierte Gewalt sei in der Geschichte „nicht auf Juden, Muslime und Christen beschränkt“ gewesen. Im Japan des 17. Jahrhunderts seien Tausende Christen getötet, gefoltert und zum Glaubenswechsel zum Buddhismus gezwungen worden. Buddhisten und abtrünnige Christen hätten polemische Werke verbreitet, die das Christentum als „verderbliche Lehre“ darstellten. Dass der Film dies als „Inquisition“ bezeichne, sei „keine ironische Erfindung Scorseses, wie manche Rezensenten des Films meinten, sondern war brutale Realität und entsprach der Bezeichnung und dem Selbstverständnis des Generalinquisitors der 1640 eingerichteten Inquisitionsbehörde“. (vvm)

Der Beitrag

Anfuehrungszeichen

Religiöse Stoffe haben es im Kino offenbar nicht leicht. Jedenfalls ist der neue Film Silence des US-Regisseurs Martin Scorsese trotz Starbesetzung bisher nicht sonderlich gut besucht. Vielleicht ja auch deswegen, weil Buddhisten hier, entgegen der im Westen verbreiteten Vorstellung vom immer friedlichen Buddhismus, als grausame Christenverfolger erscheinen. „Entspricht das der historischen Wirklichkeit?“ – wurde ich daher verständlicherweise gefragt. Ja – leider. Das historische Beispiel aus dem Japan des 17. Jahrhunderts zeigt, dass die zumindest teilweise auch religiös motivierte Gewalt in der Geschichte nicht auf Juden, Muslime und Christen beschränkt war. Die Gründe für die japanische Christenverfolgung sind freilich komplexer, als es der Film erkennen lässt. Eine nachweislich große Rolle spielte hierbei die nicht ganz unberechtigte Sorge Japans, die Missionare könnten die Vorhut der Konquistadoren sein.

Scorseses Film beruht auf der gleichnamigen Novelle aus dem Jahr 1966, mit der Shusaku Endo (1923-1996), einer der bedeutendsten japanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, weltbekannt wurde (dt. Übersetzung 1989). Endos Roman ist fiktiv. Doch der in ihm beschriebene Kontext sowie ein großer Teil seiner Figuren, darunter Pater Rodrigo (im Film: Rodrigues) und Pater Ferreira, sind es nicht. Kein geringerer als Franz Xaver (1506-1552), der Mitbegründer des Jesuitenordens, hatte 1549 das Christentum nach Japan gebracht. Dort blühte es erstaunlich schnell auf. Anfang des 17. Jahrhunderts gab es wohl an die 300.000 japanische Christen aus einer Gesamtbevölkerung von vielleicht 20 Millionen.

Warum war das Christentum in diesem von Shintoismus, Buddhismus und Konfuzianismus geprägten Land so erfolgreich? Darüber hat die Wissenschaft viel diskutiert. Eindeutige Antworten gibt es nicht. Lagen die Gründe in der christlichen Lehre, etwa in der mit ihr einhergehenden Wertschätzung des einzelnen Menschen und seiner persönlichen Verantwortung, oder lagen sie doch eher in solch profanen Umständen wie dem, dass jene japanischen Fürsten (Daimyos), deren Herrschaftsgebiete sich an der China zugewandten Küste befanden, das Christentum stark begünstigten, um hierdurch die großen Schiffe der Portugiesen in ihre Häfen zu locken? Denn an den Zöllen auf den von den Portugiesen organisierten Seidenhandel mit China ließ sich ausgesprochen gut verdienen. Vermutlich spielten viele Faktoren eine Rolle.

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