„Forscher speisen ihr Wissen in Debatten ein“
Interview zur Wissenschaftskommunikation der Geisteswissenschaften
Über die Forschungsvermittlung aus den Geisteswissenschaften hat die Leiterin des Zentrums für Wissenschaftskommunikation des Exzellenzclusters „Religion und Politik“, Viola van Melis, mit dem Wissenschaftsportal „L.I.S.A.“ der Gerda-Henkel-Stiftung gesprochen. Sie berichtet im Interview aus den Erfahrungen des Zentrums, das 2009 als Pilotprojekt für die öffentliche Vermittlung von Forschungserkenntnissen aus rund 20 geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächern gegründet wurde. „Wir bereiten Forschungsarbeiten aus dem Exzellenzcluster in verständlichen Text- und Veranstaltungsformaten auf. Bei Journalisten, Politikern, Bildungsschaffenden und Bürgern stoßen wir auf viel Interesse, wenn wir ihnen so historische, ethische oder strukturelle Einordnungen aktueller Phänomene anbieten.“ Das reiche von philosophischen Überlegungen zur Flüchtlingsfrage und politikwissenschaftlichen Einschätzungen zur Religionspolitik über soziologische Erkenntnisse zum Islam in Europa und ethische Beiträge zur Biopolitik bis hin zu historischen und theologischen Aussagen zum Verhältnis von Religion und Gewalt.
Zur Frage, ob Wissenschaft Werbung brauche, sagte Viola van Melis: „Forschung braucht keine Werbung, aber Öffentlichkeit. Viele wissenschaftliche Erkenntnisse erblicken nie das Licht der Welt jenseits der Universitäten, obwohl sie durchaus von gesellschaftlicher Relevanz sind.“ Eine sachliche Vermittlung von Forschungsarbeiten erhielten zahlreiche gesellschaftliche Gruppen Einblick in die Geistes- und Sozialwissenschaften, die ihnen sonst verschlossen blieben. „Sie erfahren mehr über Fächer, Methoden und Forschungsergebnisse, als es ohne eine aktive Vermittlung aus der Hochschule heraus möglich wäre. Die Forscherinnen und Forscher stellen der Gesellschaft damit ein Reflexionswissen und empirische Befunde zur Verfügung, die angesichts drängender Zukunftsfragen Orientierungswissen darstellen.“ Im Idealfall könnten die Einordnungen zur Versachlichung von politischen Auseinandersetzungen beitragen. „Ein weiterer Effekt ist mehr Transparenz, was die Nutzung von Steuergeldern an Hochschulen angehe, sowie Prävention, was ein womöglich wachsendes Misstrauen von Bürgern in die Wissenschaft angeht.“
Vertrauen zwischen Wissenschaftlern und Kommunikatoren
Mit Blick die enge Zusammenarbeit von Forschern und Forschungsvermittlern am Exzellenzcluster in Münster sagte Viola van Melis: „Ein wichtiger Faktor ist das Vertrauen zwischen Wissenschaftlern und Kommunikatoren. Ist dies gegeben, lassen sich – durch Bündelung der wissenschaftlichen und der kommunikativen Expertise – gemeinsam komplexe Forschungen in verständlichen Vermittlungsformaten aufbereiten und damit teils hohe Reichweiten erzielen.“ Dafür sei es nötig, dass die Kommunikatoren in der Themenrecherche tief in die Forschung einstiegen und die jeweils unterschiedliche Logik des Wissenschafts- und Mediensystems zu berücksichtigten. „Beides dürfte das Vertrauen der Forscher stärken: dass wir die Früchte ihrer oft jahrelangen Arbeit umsichtig, aber doch effektiv öffentlich vermitteln.“
Viola van Melis sprach auch über die „Leitlinien zur guten Wissenschafts-PR“, die ein überinstitutioneller Arbeitskreis, organisiert durch den der Dachverband „Wissenschaft im Dialog“ und den Bundesverband Hochschulkommunikation, unter ihrer Mitarbeit entwickelt und im April offiziell vorgestellt hat. „Im Kern geht es darum, dass in der Wissenschaftskommunikation nicht unredlich vereinfacht, geschönt oder gar übertrieben wird. Es geht um Wahrhaftigkeit, Transparenz und Offenheit der Wissenschaft für Dialoge mit der Gesellschaft.“ Das vollständige Interview lässt sich hier nachlesen. (maz/vvm)