„Zum Gesetz konvertieren“
Rechtswissenschaftler Hans-Peter Haferkamp über Juristenkonversionen
Über die Konversion von Juristen hat der Kölner Rechtswissenschaftler und Rechtshistoriker Prof. Dr. Hans-Peter Haferkamp zum Abschluss der öffentlichen Ringvorlesung „Konversion. Glaubens- und Lebenswenden“ des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ gesprochen. Anhand ausgewählter historischer Beispiele zeigte er, wie sich Juristen bei einschneidenden politischen Veränderungen einem alternativen Rechtsdenken zuwenden. „Woran ein Jurist als Jurist glaubt, hängt von vielen Faktoren ab, von seiner politischen Sozialisation, seiner Ausbildung und vor allem vom politischen Kontext“, erläuterte Prof. Haferkamp. So glaube ein Jurist im Gesetzgebungsstaat der Moderne etwa an den Gesetzgeber, „oder eben nicht“. Zur „Konversion“ gerate ein solcher Glaube dann, wenn sich seine Einstellung in dieser Frage sehr schnell, ja plötzlich ändere.
Dies sei in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert „erstaunlich häufig“ geschehen, sagte der Rechtswissenschaftler. Als Beispiele für historische Zäsuren, die Juristen zu Alternativen im Rechtsdenken brachten, nannte er den Untergang des Heiligen Römischen Reichs, die deutsche Reichsgründung und das Ende der Weimarer Republik. „Wenn Juristen konvertieren, also ihren alten Rechtsglauben verlassen und einen neuen Rechtsglauben annehmen, dann tun sie das meist infolge eines wirklichen oder empfundenen radikalen Wandels ihres rechtlichen Umfeldes“, so der Rechtshistoriker. Juristen könnten „zum Gesetz konvertieren oder von ihm weg“, etwa „zu Alternativen wie dem Volksgeist, Naturrecht, Gewohnheitsrecht, Gewissen, Christentum oder völkischen Rechtsdenken“. Eines bleibe aber konstant: Juristen konvertierten fast nie „offen politisch, sondern meist verdeckt“. So bewegten sie sich immer innerhalb ihrer Fachautonomie. Das lasse sich so ausdrücken: „Juristen als Juristen konvertieren als Juristen.“
Hans-Peter Haferkamp ist Professor am Institut für Neuere Privatrechtsgeschichte, Deutsche und Rheinische Rechtsgeschichte der Universität zu Köln. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, die juristische Zeitgeschichte und die Rechtswissenschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts.
In der Ringvorlesung des Wintersemesters 2015/16 kamen Vertreter verschiedener Disziplinen zu Wort: der Geschichts- und der Rechtswissenschaft, der Ethnologie, Theologie, Arabistik, Germanistik, Indonesischen Philologie, der Judaistik und der Mittellateinischen Philologie. Die Reihe untersuchte religiöse, aber auch politische und weltanschauliche Konversionen von der Spätantike bis heute. Die Themen der 14 Vorträge reichten von der Bekehrung zum Christentum im alten Rom über Konversionsträume im Mittelalter und frühneuzeitliche Reformatoren bis zur Taufe europäischer Juden im 19. Jahrhundert. Auch die Konversion zum evangelikalen Christentum des US-Musikers Bob Dylan und der Wandel von der Geisterheilung zur Psychiatrie im heutigen Indien wurden unter die Lupe genommen.(maz/vvm)