Kriegerische Heilige
Tagung über die Militarisierung christlicher Heiliger seit der Spätantike
Mit der Militarisierung christlicher Heiliger von der Spätantike bis heute befasst sich eine internationale Tagung des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Universität Münster. Wissenschaftler verschiedener Fächer untersuchen Texte und Bilder von Heiligen wie Georg und Theodoros Teron, die darin kriegerisch beschrieben und dargestellt werden. Christliche Heilige galten als Beschützer und Garanten der Sicherheit und wurden ab der Spätantike oft als Krieger mit Waffen und Rüstung abgebildet, wie die Veranstalter, der Byzantinist Prof. Dr. Michael Grünbart und die Osteuropa-Historikerin Dr. Liliya Berezhnaya vom Exzellenzcluster, erläutern. Die Konferenz trägt den Titel „Die Militarisierung der Heiligen in Vormoderne und Moderne“ und findet vom 1. bis 2. Februar 2017 im Hörsaalgebäude des Exzellenzclusters, Johannisstr. 4 in Münster statt. In einem öffentlichen Abendvortrag am 1. Februar 2017 stellt der christlich-orthodoxe Theologe Prof. Dr. Assaad E. Kattan vom Exzellenzcluster „Eine arabische Version der Georgslegende“ vor.
Die Tagung zeigt die Entwicklung der Heiligendarstellungen von der Antike bis heute. Dabei befasst sie sich mit Hagiographie und Sakraltopographie sowie Ikonographie und Gesellschaftsgeschichte, wie Michael Grünbart ankündigt. Ein Schwerpunkt liegt auf dem christlich geprägten östlichen Mittelmeerraum, aber die Verflechtungen mit dem westlichen und östlichen Europa, vor allem durch Translationen von Reliquien oder Verehrungstraditionen, machen eine gesamteuropäische Perspektive notwendig. Liliya Berezhnaya: „Neben den frühchristlichen Märtyrern wurden auch russische Heilige verehrt wie die heiligen ‚Leidensdulder‘ und Fürstensöhne Boris und Gleb, die nach 1015 im Kampf um die Nachfolge von ihrem Halbbruder Svjatopolk umgebracht wurden.“
Die Tagung ist im Zusammenhang mit der Ausstellung „Von Drachenkämpfern und anderen Heiligen“ entstanden, die noch bis zum 12. Februar im international renommierten Ikonen-Museum Recklinghausen zu sehen ist. Michael Grünbart und weitere Wissenschaftler der WWU waren an deren Entstehung beteiligt.
„Martialische Terminologie und kämpferisches Auftreten sind in den antiken christlichen heiligen Schriften mannigfaltig beschrieben“, erläutern die Veranstalter im Vorfeld, „aber in bildlichen Darstellungen wie Ikonen kam das Militärische zunächst kaum vor.“ Selbst Christus werde selten als Soldat, als „Christus miles“, dargestellt. „Christliche Soldaten im römischen Heer bekamen sogar Probleme und durften nicht mehr zur Kommunion gehen, wenn sie in Kampfhandlungen getötet hatten. Schwerer wog allerdings ihre Weigerung, dem römischen vergöttlichten Kaiser zu opfern. Das führte zu zahlreichen Märtyrertoden.“
Von Berufssoldaten zu Glaubenskämpfern
Erzählungen über diese sogenannten Blutzeugen entstanden zwar rasch, wie die Forscher ausführen, aber ihre ursprüngliche kriegerische Profession spielte nur eine untergeordnete Rolle. Das habe sich in der spätrömischen und frühmittelalterlichen Zeit geändert, als sowohl in der hagiographischen Darstellung als auch in der Ikonographie der Heiligen mehr und mehr militärische Attribute einsickerten. „Parallel dazu entstanden in Regionen Europas Typen von Glaubenszeugen, die im Kampf gegen Heiden fielen, etwa gegen angelsächsische Könige und skandinavische Herrscher.“ Bis in die Gegenwart werden Heilige wie Georg oder Demetrios als Träger und Stifter militärischer Stärke instrumentalisiert, unterstreicht Michael Grünbart. „So entstehen neue Erzählungen von Märtyrern in der Moderne, die den kriegerischen Aspekt hervorheben.“ Liliya Berezhnaya: „Vor allem in Osteuropa entstehen Phänomene von nationalisierten militanten Heiligen wie Großfürst Alexander Newskij in Russland. Ebenso bedeutsam sind in Südosteuropa eigentlich unkriegerische Heilige, die dann ab dem 19. Jahrhundert militarisiert werden. Dies geschieht meist im Kontext der Nationalisierung eines alten antemurale christianitatis-Mythos, der mit Feindbildern und der Idee der Nation als einer Verteidigungsbastion des Christentums arbeitet.“
Der Byzantinist Prof. Dr. Michael Grünbart leitet am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ das Forschungsprojekt B2-8 „Moses und David: Ambige Typologien für Patriarchen und Kaiser in Byzanz“. Die Osteuropahistorikerin Dr. Liliya Berezhnaya leitet das Projekt B2-4 „‚Die ukrainische Bastion‘ – Vormauer Europas und „antemurale christianitatis“. Nationalisierung eines Mythos“.
Die Ausstellung „Von Drachenkämpfern und anderen Heiligen“ im Ikonen-Museum Recklinghausen zeigt zum 60-jährigen Bestehen des Hauses gut 120 Exponate: von mannshohen Darstellungen auf Ikonen über feine Holzschnitzereien und Amulette bis zu winzigen Münzen. Die Ikonen stammen aus dem 6. bis 20. Jahrhundert und kommen aus verschiedenen Regionen Russlands, Südosteuropas, Griechenlands, Ägyptens und Äthiopiens. Am häufigsten sei der Drachenkampf des heiligen Georg zu sehen, erläutert Prof. Dr. Michael Grünbart, der im Ausstellungskatalog den Prozess der Militarisierung und Aufrüstung der Heiligen bis in die byzantinische Zeit darlegt und den Vortrag zur Ausstellungseröffnung gehalten hat. (ill/vvm)