Jenseits der Polisreligion
Internationaler Workshop über religiöse Regelkonflikte in antiken Städten
Mit Regelkonflikten in religiösen Gemeinschaften der Antike befasst sich ein internationaler Workshop am Exzellenzcluster „Religion und Politik“. „Für das wissenschaftliche Verständnis griechischer Religiosität hat sich seit 25 Jahren das Modell der ,Polisreligion‘ bewährt, das die von der Stadt finanzierten ,öffentlichen‘ Kulte beschreibt“, erläutern die Organisatoren der Tagung, Althistoriker Prof. Dr. Klaus Zimmermann und Andrew Lepke vom Forschungsverbund. Allerdings klammere dieser Fokus andere „überaus wichtige Formen von Religiosität“ aus, etwa in Vereinen, im Koinon – den Bundesstaaten – oder in Gruppen von Techniten – Künstler und Handwerker – oder Philosophen. „Gerade für diese Gruppen stellt sich aber die Frage, wie sich das Verhältnis ihrer Normen und Manifestationen zu jenen der Polis gestaltete.“
Die Teilnehmer fragen zum einen, wie sich die Regelwerke auf unterschiedlichen Organisationsebenen zueinander und zu denen der Polis verhielten und wo mögliche Konfliktfelder lagen, und zum anderen soll anhand ausgewählter Beispiele herausgearbeitet werden, welche Lösungsstrategien von den Akteuren entwickelt wurden – und welche Alternative ihnen im jeweiligen Rahmen zur Verfügung stand. Der Workshop „Jenseits der Polisreligion. Regelkonflikte im religiösen Feld“ findet vom 27. bis 28. November in Raum JO 101 im Hörsaalgebäude des Exzellenzclusters, Johannisstraße 4, ab 16.00 Uhr statt. Mitveranstalter ist das Projekt B2-6 „Politisch-religiöse Interdependenzen in sakralen Räumen. Epigraphische Texte im Umfeld antiker griechischer Heiligtümer“ des Exzellenzclusters, das Althistoriker Prof. Dr. Peter Funke leitet.
„Bei den Bestimmungen handelte es sich um sozial ausgehandelte Regeln, die in Auseinandersetzung mit Bestehendem absichtsvoll konstruiert wurden“, erläutert der Althistoriker. „Dass es in diesem Prozess auf den unterschiedlichen Organisationsebenen zu Konflikten kam, ist literarisch und inschriftlich belegt.“
Regelkonflikte hätten sich aber nicht auf das Verhältnis mehr oder weniger homogener Gruppen zu ihrer Umgebung beschränkt, sei es in Form offen ausgetragener Streitigkeiten oder bewusst devianter Konstruktionen von Norm. „Auch bei der Durchsetzung von Regeln sind Konflikte greifbar, etwa bei dem Versuch, Mitgliedschaft an bestimmte Rituale oder Reinheitsvorschriften zu binden.“
Der Workshop versammelt Althistoriker aus Großbritannien, Deutschland und Italien. Althistoriker Prof. Dr. Peter Funke vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ spricht über das Spannungsverhältnis von Bundes- und Poliskompetenz in der Kultorganisation. Jana Müller-Siegwardt stellt die Regelkonflikte und Konfliktbewältigung im christlichen Umfeld der griechischen Stadt Edessa vor. Prof. Zimmermann und Andrew Lepke arbeiten am Exzellenzcluster im Projekt B2-21 „Politik im Kultvollzug – Gottesdienst in der Politik: Die Kultsatzungen (leges sacrae) griechischer Stadtstaaten als Quelle antiken Bewusstseins für religiös-politische Interdependenz“. (ska/vvm)