In der Graduiertenschule des Exzellenzclusters ist ein Forschungsprojekt über die Situation der 20 Millionen Muslime im heutigen China zum Abschluss gekommen. Islamwissenschaftlerin Frauke Drewes hat die Perspektiven verschiedener muslimischer Gruppen, der nicht-muslimischen Mehrheitsgesellschaft und der Medien als politische Repräsentanten untersucht. Dazu führte sie qualitative Interviews mit Muslimen und Nicht-Muslimen in Deutschland, China und Ägypten und analysierte die Online-Ausgabe der chinesischen Tageszeitung „Renmin ribao“ („Volkszeitung“), dem offiziellen Organ der Kommunistischen Partei Chinas, mit Blick auf den Zeitraum von 2003 bis 2011. Unter dem Titel „Orientalisiert, kriminalisiert, propagiert? – Die Position von Muslimen in Gesellschaft und Politik der VR China heute“ stellt Drewes zahlreiche Facetten der komplexen Beziehung von Muslimen, Staat und Mehrheitsgesellschaft in China dar und deckt eine Reihe von Widersprüchen und Problemen auf, die das Land vor große Herausforderungen stellt.
Die Dissertationsschrift, die nach den drei Leitfragen des Buchtitels „Orientalisiert, kriminalisiert, propagiert?“ gegliedert ist, wird voraussichtlich im Herbst 2015 im Ergon Verlag erscheinen. „Die Muslime in China sind Teil einer religiösen und meist auch einer ethnischen Minderheit“, so Drewes zum ersten Teil ihrer Studie. „Dennoch ist bei ihnen selten das Konzept einer ‚internen Orientalisierung‘ anzufinden, das die westliche Wissenschaft für Minderheiten in China insgesamt nutzt, um die Darstellung der Gruppen als exotisch und romantisch, aber zugleich primitiv zu beschreiben.“ Die Autorin legt im ersten Teil der Studie dar, wie China politisch mit den Muslimen im Land umgeht, wie ihr Bild in der Bevölkerung ist und wie sie selbst sich in Bezug auf Staat, Mehrheitsgesellschaft, aber auch die jeweils anderen muslimisch geprägten ethnischen Gruppen wahrnehmen. „Dabei wird eine große Distanz zwischen den überwiegend chinesisch-sprachigen Hui und den turkisch-sprachigen Uiguren – beide stark muslimisch geprägt – deutlich.“
Mit Blick auf eine mögliche Kriminalisierung geht Drewes im zweiten Teil spezifisch auf die schwierige Lage der Uiguren in der Region Xinjiang ein. „Dort hat sich ein negativer Kreislauf aus Protesten und Repression entwickelt“, so die Wissenschaftlerin. „Es wird jedoch deutlich, dass uigurische Wahrnehmungen staatlicher Kriminalisierung kaum mit gesellschaftlichen Vorurteilen einhergehen.“ Die Studie befasst sich schließlich im dritten Teil damit, „wie der chinesische Staat in einigen Regionen stark das ‚Label Islam‘ fördert, um damit internationale politische und wirtschaftliche Beziehungen insbesondere zu erdölexportierenden arabischen Ländern zu verbessern. Es zeigt sich jedoch, dass diese Förderung in der Bevölkerung kaum wahrgenommen wird.“
Zuletzt waren in der Graduiertenschule Dissertationsprojekte zu folgenden Themen zum Abschluss gekommen: zum politischen Einfluss der jesuitischen Ordensgemeinschaft in Chile, zur Legitimation protestantischer Missionsarbeit um 1900, zu Kants Philosophie der Erkenntnis und zu religiösen Kulthandlungen im antiken Südbabylonien. (han/vvm)