„Verbot der Bekenntnisbeschimpfung aufheben“
Rechtswissenschaftlerin Hörnle zum Strafrecht in multikulturellen Gesellschaften
Über die „Zukunft des Strafens in multikulturellen Gesellschaften“ hat die Rechtswissenschaftlerin Prof. Dr. Tatjana Hörnle in der Ringvorlesung des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ gesprochen. „Die vermutlich in den kommenden Jahren weiter zunehmende multikulturelle Aufsplitterung der Gesellschaft wirft auch für das Strafrecht Fragen auf“, sagte sie in der Vortragsreihe „Zukunftsvisionen zwischen Apokalypse und Utopie“. Darin erörterte die Juristin der Humboldt-Universität Berlin, ob Verbotsnormen angesichts der wachsenden gesellschaftlichen Vielfalt angepasst, aufgehoben oder verschärft werden müssen.
Prof. Hörnle plädierte einerseits dafür, „über solche Fragen nachzudenken, ohne eine Anpassung an geänderte gesellschaftliche Verhältnisse abzublocken“. Andererseits solle die Rechtswissenschaft bei der Entscheidungsfindung „bewusst Distanz gegenüber emotional aufwühlenden Ereignissen wie den jüngsten Anschlägen in Paris halten“. Mit den Attentaten in Frankreich sei das Verbot der Bekenntnisbeschimpfung (§ 166 StGB) auch in Deutschland wieder in den öffentliche Blickpunkt gerückt, sagte Prof. Hörnle. Sie befürwortete eine Aufhebung des Verbots, da es dafür „keine überzeugende Rechtfertigung“ gebe.
Zugleich fragte die Wissenschaftlerin, ob kulturelle oder religiöse Hintergründe, die für das Handeln eines Straftäters von zentraler Bedeutung waren, bei der Bewertung der Straftat berücksichtigt werden sollten. Sie wandte sich dagegen, solche „cultural defenses“ zuzulassen und in die Bewertung der Straftat als Milderungs- oder sogar Rechtfertigungsgrund einzubeziehen. „Diese Hintergründe mindern nicht die Schuld des Täters und sind deshalb auch nicht strafmindernd zu berücksichtigen“, so Prof. Hörnle.
„Zukunftsvisionen zwischen Apokalypse und Utopie“
Der Vortrag trug den Titel „Die Zukunft des Strafens in multikulturellen Gesellschaften“. In der Ringvorlesung, die das Habilitandenkolleg des Forschungsverbunds organisiert, kommen Vertreter verschiedener Fächer zu Wort: Geschichts-, Rechts- und Politikwissenschaft, Germanistik, Philosophie, Archäologie, Ägyptologie und Kulturwissenschaft. Die Reihe widmet sich der Geschichte apokalyptischen und utopischen Denkens von der Antike bis heute und untersucht, wie religiöse und politische Elemente in Zukunftsvisionen verwoben sind. Die Vorträge sind dienstags von 18.15 bis 19.45 Uhr im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses am Domplatz 20-22 in Münster zu hören. Den abschließenden Vortrag der Reihe hält am 27. Januar die Historikerin Prof. Dr. Antje Flüchter aus Bielefeld unter dem Titel „Indien im ‚Warteraum der Geschichte‘? Wie der Westen zur Zukunft der Welt wurde“. (han)