Religion als verhaltensprägender Faktor
Herbsttagung des Arbeitskreises „Historische Demographie“ mit Cluster-Unterstützung
Mit Religion als verhaltensprägendem Faktor befasst sich die 21. Herbsttagung des Arbeitskreises „Historische Demographie“ der Deutschen Gesellschaft für Demographie, die am 31. Oktober und 1. November an der Universität Münster zusammenkommt. Die Tagung knüpft an die Ergebnisse der historischen Bevölkerungsforschung an und soll neue Aspekte des Zusammenhangs zwischen demographisch manifestem Verhalten und kulturellen Prägungen erschließen, wie Historiker Prof. Dr. Ulrich Pfister vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ erläutert. Die Veranstaltung wird vom Exzellenzcluster unterstützt. Sie findet im Hörsaalgebäude des Forschungsverbundes, Johannisstraße 4, Raum JO 101, statt. Eine Teilnahme ist ohne Anmeldung möglich.
„Obwohl mittlerweile schon einige Jahrzehnte seit der Veröffentlichung der Resultate des European Fertility Project vergangen sind, ist die dadurch aufgeworfene Problematik nach wie vor aktuell“, so der Wirtschafts- und Sozialhistoriker. Mehr im Ausschlussverfahren als durch statistisch operationalisierte Messwerte sei seinerzeit der Faktor „Kultur“ als besonders einflussreich erkannt worden, im Unterschied zu den bis dahin dominierenden sozioökonomischen Erklärungen. „Im Fokus steht dabei die Religions- beziehungsweise Konfessionszugehörigkeit, die historisch häufig der einzig messbare Indikator für ‚Kultur‘ ist. Sie spielt beim Fertilitätsrückgang zweifellos eine große Rolle, auch wenn zu diesem Thema die Diskussion keineswegs abgeschlossen ist.“
Die Herbsttagung wird sich mit der Frage befassen, welchen Stellenwert die Religionszugehörigkeit in anderen historischen Kontexten als zur Zeit des „Fertility Decline“ hat. Die Teilnehmer erörtern auch, wieweit demografisch messbares Verhalten mit anderen Lebensbereichen zusammen hängt und welcher methodische Zugang geeignet ist. Dazu werden neuere Forschungen vorgestellt und diskutiert. „Aufschlüsse sind besonders aus der Gegenüberstellung von Ländern und Regionen zu erwarten, in denen mehrere Konfessionen über längere Zeit nebeneinander in einem ähnlichen Umfeld existierten“, so Prof. Pfister. Neben den demographischen Merkmalen kommen auch andere Äußerungen von Verhaltensunterschieden oder - ähnlichkeiten zur Sprache. Für 2015 ist eine Tagung geplant, die den Akzent stärker auf andere kulturhistorische Aspekte legt.
Zehn Beiträge mit elf Referentinnen und Referenten stehen für die 21. Herbsttagung auf dem Programm. Der Einfluss der Religion auf die Mortalität im ausgehenden 19. Jahrhundert wird von zwei Forscherinnen aus Nijmwegen (Nynke van den Boomen und Evelien Walhout) anhand von Material aus den Niederlanden analysiert. Zum deutschen und angrenzenden frankophonen Sprachraum wird es drei Beiträge geben. Kevin McQuillan wird seine Untersuchungen zum Elsass vorstellen, Timothy Saunders zum Hunsrück. Anne-Lise Head hat einen Überblick zum Einfluss der Religion auf Heiratsverhalten und Fertilität in der Schweiz angekündigt.
In der Kontaktzone zwischen deutschsprachigen und westslawischen Bevölkerungen sind Tagungsbeiträge aus Posen von Grażyna Liczbińska und aus Prag von Josef Kadeřábek und Veronika Chmelařová angesiedelt. Sie befassen sich mit Unterschieden in den Lebensverhältnissen und dem Migrationsverhalten zwischen protestantischer und katholischer Bevölkerung. Im Zusammenhang mit dem Protestantismus steht auch der Beitrag Wolfgang Hartungs aus Duisburg über die Bedeutung der Religion für das Verhalten der Wolgadeutschen. Für Siebenbürgen werden schließlich zwei Untersuchungen vorgestellt, die sich zum einen auf das Heiratsverhalten und zum anderen auf das Verhältnis zwischen Katholiken und Orthodoxen beziehen. (exc/vvm)
21. Herbsttagung des Arbeitskreises „Historische Demographie“: „Religious Denomination as a Factor of Behavior“, 31. Oktober und 1. November 2014
Hörsaalgebäude des Exzellenzclusters
Raum JO 101
Johannisstraße 4
48143 Münster
Programm
Freitag, 31. Oktober |
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13:15 | Reception, snack | |
14:00 | Introduction | R. Gehrmann |
14:15 | Denomination as part of identity in Alsace, 19th century | Kevin McQuillan (Calgary) |
15:00 | Region, religion and death: The cultural rigidity of mortality and cause-of-death patterns in the Netherlands, 1875-1899 | Nynke van den Boomen (Nijmegen) |
15:45 | Ecological conditions vs. religious denomination in Greater Poland in the second half of the 19th and the beginning of the 20th century | Grażyna Liczbińska (Poznan) |
16:30 | Pause | |
16:45 | High infant mortality in late nineteenth - and early twentieth-century North-Brabant: did religion play a role? | Evelien Walhout (Nijmegen) |
17:30 | "Heimat" revisited: Religious divisions and family life in the Hunsrück during the 18th century | Timothy Sauders (Nordenham) |
18:15-19:00 | The evolution of religious differences in marriage and fertility in Switzerland (from the 18th to the beginning of the 20th century) | Anne-Lise Head (Genève) |
Samstag, 1. November |
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09:00 | The impact of confessional migration on the social composition of Bohemian and Silesian towns of the Early Modern Period | Josef Kadeřábek / Veronika Chmelařová (Prag) |
09:45-10:30 | The dilemmas of cohabitation. Orthodox and Greek-Catholics in Transylvania in the second half of the nineteenth century and early twentieth century | Ion Cârja (Cluj) |
10:30 | Pause | |
10:45 | Mixed marriages and ethno-confessional identities in Transylvania | Ioan Bolovan (Cluj) |
11:30 | Migration, demography and family structure of Germans colonists in the Wolga region since 1764 | Wolfgang Hartung (Duisburg-Essen) / Julia Galperina (Saratow) |
12:15-13:00 | General debate and administrative questions |