„Spiritualität in der Ich-Gesellschaft“
Neue Studie zu Religion und Spiritualität in der Schweiz
Mit Religion und Spiritualität in der Schweiz beschäftigt sich eine neue Studie, zu deren Autoren auch die katholische Theologin Prof. Dr. Judith Könemann vom Exzellenzcluster gehört. Die Studie „Religion und Spiritualität in der Ich-Gesellschaft“ steht in der Tradition vergleichbarer Studien seit 1989, deren erste unter dem Titel „Jede/r ein Sonderfall“ stark beachtet wurde. Die nun veröffentlichte Auswertung und Kommentierung der neuesten Erhebung führt zur Erkenntnis, dass die Religiosität in unserer Gesellschaft sich mit Hilfe von vier „Typen“ oder „Gestalten des (Un-)Glaubens“ charakterisieren lässt: Institutionelle, Alternative, Distanzierte und Säkulare. Der Band trägt den Untertitel „Vier Gestalten des (Un-)Glaubens“ und ist im Theologischen Verlag Zürich in der Reihe „Beiträge zur Pastoralsoziologie“ erschienen.
Noch klarer und unmissverständlicher als die beiden Vorgängerstudien weist die neue Untersuchung auf den Umbruch in der Religionslandschaft hin, wie Prof. Könemann darlegt. Die Studie ziehe eine Bilanz mit Blick auf die Wahrnehmung und Bewertung von Religion. „Der Übergang zur Ich-Gesellschaft hat auch die Wahrnehmung von Religionen tiefgreifend verändert. Was mit der Aufklärung und der auf sie folgenden Religionskritik schon vorgespurt wurde, erreicht nun in radikalisierter Form die breite Masse der Bevölkerung.“
Während noch bis in die 1950er Jahre von der Schweiz als „christlichem Land“ gesprochen werden konnte, wie Prof. Könemann darlegt, und die Konfessionsdifferenzen ein wichtiger sozialer Marker waren, der die Wahrnehmung der Menschen stark beeinflusste, werde Religion im neuen Regime der Ich-Gesellschaft von der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung in ganz neuer Weise betrachtet. „Religionen unterstehen aus dieser Sicht ganz generell dem Primat der Gesellschaft und des Individuums. Sie haben nicht selbst Ansprüche zu stellen, sondern müssen der Gesellschaft und dem Individuum dienen. Falls sie dies nicht tun oder gar schädliche Auswirkungen zeigen (z.B. zu Extremismus, Fanatismus, Intoleranz neigen), werden sie abgelehnt.“
Diese Wahrnehmung und Bewertung von Religion(en) fordere die Kirchen heraus, so die Wissenschaftlerin. „Auch wenn sie sich entscheiden, sich nicht an den Gesetzmäßigkeiten und Beurteilungsmaßstäben der Ich-Gesellschaft zu orientieren, müssen sie zur Kenntnis nehmen, dass sie von einer Mehrheit der Bevölkerung daran gemessen werden.“
Die Studie basiert auf einer vom Schweizerischen Nationalfonds im Rahmen des Nationalfondsprojekts 58 „Religionen, Staat und Gesellschaft“ durchgeführten, repräsentativen sowie quantitativen und qualitativen Untersuchung zur Religion und Spiritualität in der Schweiz. Leiter war der Religionssoziologe Prof. Dr. Jörg Stolz von der Universität Lausanne. Zu den Autoren gehören neben Prof. Könemann auch der Religionssoziologe Dr. Michael Krüggeler vom Centrum für Religion und Moderne (CRM) an der Uni Münster sowie die Religionssoziologen Dr. Mallory Schneuwly Purdie und Thomas Englberger von der schweizerischen Universität Lausanne.
Prof. Könemann leitet am Exzellenzcluster das Forschungsprojekt C2-5 Freie kirchliche Schulen als organisierte Handlungsträger im Spannungsfeld von kirchlicher Eigenlogik, gesellschaftlichem Bildungsdiskurs und staatlicher Bildungspolitik. (Theologischer Verlag Zürich/han)
Hinweis: Stolz, Jörg/ Könemann, Judith/ Schneuwly Purdie, Mallory/ Englberger, Thomas/ Krüggeler, Michael: Religion und Spiritualität in der Ich-Gesellschaft. Vier Gestalten des (Un-)Glaubens (Beiträge zur Pastoralsoziologie, Bd. 16, Zürich: Theologischer Verlag Zürich 2014, 281 Seiten, ISBN 978-3-290-20078-7, 32,30 Euro.
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