Die politische Rolle von Heiligtümern

Neuerscheinung über griechische Stammes- und Bundesstaaten

Buchcover „Greek Federal States and Their Sanctuaries: Identity and Integration“

Buchcover

Die enge Verknüpfung von Religion und Politik im antiken Griechenland steht im Mittelpunkt eines Sammelbandes, den die Münsteraner Althistoriker Prof. Dr. Peter Funke vom Exzellenzcluster und Dr. Matthias Haake vom Seminar für Alte Geschichte herausgegeben haben. „Besonders deutlich manifestiert sich diese Verbindung in griechischen Heiligtümern, die zugleich Orte kultischer Handlungen und politischen Handelns waren“, erläutert Prof. Funke. „Im vorliegenden Band fokussieren wir dabei auf die zentralen Heiligtümer in griechischen Stammesstaaten und Bundesstaaten zwischen archaischer und hellenistischer Zeit.“ Das Buch „Greek Federal States and Their Sanctuaries: Identity and Integration“ bündelt die Beiträge einer gleichnamigen internationalen Tagung am Exzellenzcluster, auf der die politische Funktion von Heiligtümern in der Welt der griechischen Stammes- und Bundesstaaten erörtert wurde. Der Tagungsband mit dreizehn Beiträgen auf Deutsch, Englisch und Französisch ist im Franz Steiner Verlag erschienen.

Prof. Funke legt in seinem eigenen Beitrag die Funktionen alter und neuer kultischer Zentren im Aitolischen Bund dar, einem Zusammenschluss von Städten in der antiken griechischen Landschaft Aitolien. Am Beispiel der Feste der Thermika und Panaitolika analysiert er das komplexe Spannungsgefüge von Religion und Politik innerhalb des aitolischen Bundesstaates. „Mythologische Traditionen sicherten ebenso wie gemeinsame Kulte und gemeinsame Feierlichkeiten in allen Bundesstaaten den inneren Zusammenhalt“, so der Forscher.

„Hunderte von Einzelstaaten in ständiger Konkurrenz zueinander“

Da „hunderte von oft winzigen Einzelstaaten in ständiger Konkurrenz in der griechischen Welt zueinander standen“, spielten überregionale Heiligtümer eine wichtige Rolle für das friedliche zwischenstaatliche Miteinander. „Sie waren Mittelpunkt politischer Zusammenschlüsse und konnten sich sogar zu Zentren von Bundesstaaten entwickeln“, erläutert der Althistoriker. In seltenen Fällen machten die politischen Bünde Heiligtümer zum politischen Zentrum und konnten somit Rangstreitigkeiten unter den Mitgliedern verhindern, wie der Wissenschaftler sagt.

Zentralheiligtümer wie Delphi, das Panionion oder das Triopion trugen maßgeblich zur Identität der Bünde bei und spielten daher bei der Integration unterschiedlicher Mitgliedsstaaten eine wichtige Rolle, wie Prof. Funke im Vorwort des Sammelbandes darlegt. „Religion und Kult wurden damit zu einer Klammer zwischen den einzelnen Mitgliedsstaaten und der Zentralgewalt des Bundes.“

Der neue Band fügt sich ein in den Kontext der Erforschung der Funktionsmechanismen von Religion und Kult in der Entwicklung und Organisation von Staatlichkeit und politischer Herrschaft in der Antike. Die Beiträge analysieren den Einfluss von Heiligtümern in Griechenland und der griechischen Inselwelt bei der Entstehung und Legitimation von politischer Ordnung in griechischen Stammesbünden und Bundesstaaten von der archaischen bis in die hellenistische Zeit.

Prof. Funke leitete in der ersten Förderphase des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ das Projekt C2 Parteiische Götter – konkurrierende Götter. Die Rolle von Kulten und Heiligtümern in antiken Staatsverträgen, aus dem die Konferenz und der Sammelband hervorgegangen sind. In der laufenden Förderphase leitet er das Projekt B2-6 Politisch-religiöse Interdependenzen in sakralen Räumen. Epigraphische Texte im Umfeld antiker griechischer Heiligtümer. (bhe/vvm)

Hinweis: Peter Funke, Matthias Haake (Hrsg.): Greek Federal States and Their Sanctuaries: Identity and Integration, Stuttgart: Franz Steiner Verlag, 2013, ISBN: 978-3515103077, 244 Seiten, 52 Euro.

Aus dem Inhalt:

  • Preface
  • Peter Funke: Greek Federal States and Their Sanctuaries: Identity and Integration. Some Introductory Remarks
  • Athanasios D. Rizakis: États fédéraux et sanctuaires: Zeus Homarios et la construction de l’identité achéenne
  • Peter Funke: Thermika und Panaitolika. Alte und neue Zentren im Aitolischen Bund
  • Klaus Freitag: Die Akarnanen: Ein Ethnos ohne religiöses Zentrum und gemeinsame Feste?
  • Angela Ganter:  A Two-Sided Story of Integration: The Cultic Dimension of Boiotian Ethnogenesis
  • James Roy: Olympia, Identity and Integration: Elis, Eleia, and Hellas
  • Michael Fronda:  Southern Italy: Sanctuary, Panegyris and Italiote Identity
  • Giovanna Daverio Rocchi:  Ethnic Identity, Cults and Territorial Settlement: East and West Locrians
  • Miltiades Hatzopoulos: Was Dion Macedonia’s Religious Centre?
  • Kostas Buraselis: Confederacies, Royal Policies and Sanctuaries in the Hellenistic Aegean: The Cases of Nesiotai, Lesbioi and Kretaieis
  • Jeremy McInerney: Making Phokian Space: Sanctuary and Community in the Definition of Phokis
  • Richard Bouchon – Bruno Helly: Construire et reconstruire l’État fédéral thessalien (époque classique, époque hellénistique et romaine) Cultes et sanctuaires des Thessaliens
  • Thomas Heine Nielsen: Can ‘Federal Sanctuaries’ Be Identified in Triphylia and Arkadia?

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