Wer gibt Antworten auf das Wie und Warum?
Physiker und Theologe diskutieren über naturwissenschaftliche und religiöse Weltbilder
Über das Verhältnis von Physik und Theologie haben der Physiker Prof. Dr. Markus Donath von der WWU Münster und der evangelische Theologe Prof. Dr. Samuel Vollenweider von der Uni Zürich am Exzellenzcluster „Religion und Politik“ diskutiert. Naturwissenschaftliche Einsichten und christliche Weltbilder seien nicht unvereinbar, sagte Physiker Prof. Donath. Die Naturwissenschaften könnten Vorgänge in der Natur beschreiben, aber keine Aussage über Gott machen. „Die Physik findet Antworten auf das ‚wie‘ der Welt, aber nicht auf das ‚warum‘“. Mit Blick auf Sinnfragen stoße das Fach an seine Grenzen. Menschen bräuchten auch das Orientierungswissen anderer Fächer, etwa der Theologie, so Prof. Donath. Er äußerte sich auf dem Podium in der Reihe „Streitgespräche über Gott und die Welt“.
Der evangelische Theologe Prof. Vollenweider sprach von einem „asymmetrischen Verhältnis“ zwischen Theologie und Physik. Während Physiker heute wenig Interesse an der Theologie zeigten, seien Vertreter seines Faches an naturwissenschaftlichen Erklärungen „enorm interessiert“. Beide Disputanten plädierten dafür, dass die verschiedenen „Wissenschaften des Himmels“ in einen produktiven Dialog träten. Allerdings herrschten zwischen Natur- und Kulturwissenschaften „eklatante Unterschiede“ in Methode, Sprache und Wissenschaftskultur. Für den Dialog sei Übersetzungsarbeit nötig, sonst gebe es Missverständnisse.
Neutestamentler Prof. Vollenweider erinnerte in seinen Ausführungen an das „theologische Erbe der Physik“. In der Antike hätten sich die Disziplinen nahe gestanden und seien teilweise identisch gewesen. Mit dem Zeitalter der Moderne habe die Theologie ihre Zentralposition in den Wissenschaften geräumt, „teilweise aus eigenem Willen, teilweise unfreiwillig“. Sie beschränke sich nun bei der Welterklärung auf den „Nahbereich des Menschlichen“ und habe die Beschreibung der Natur den Naturwissenschaften überlassen. „Heute herrscht Kontaktlosigkeit. Wünschenswert wären hingegen Dialog und gegenseitige Neugierde.“
Experimentalphysiker Prof. Donath unterstrich, die wenigsten Physiker wollten durch ihre Forschungen den Glauben an Gott widerlegen. Es führe in eine Sackgasse zu behaupten, dass Denken und Glauben sich ausschließen würden. Der Ansatz „Glaubst Du noch, oder denkst Du schon?“ führe genauso wenig weiter wie die Überzeugung mancher Religionsvertreter „Wer denkt, muss glauben.“ Aus beiden Haltungen spreche „eine ganze Portion Hybris“.
Als Beispiel für die Grenzen naturwissenschaftlicher Erkenntnisse nannte der Forscher die „Urknall“-Theorie, nach der das Universum einen Anfang hat. „Was davor war, liegt außerhalb von Raum und Zeit und lässt sich mit naturwissenschaftlichen Instrumenten nicht erfassen. Die Erkenntnisse unserer Disziplinen sind faszinierend und weitreichend, aber ihre Begrenztheit zwingt zu demütiger Zurückhaltung.“ Zugleich aber sollten Religionsvertreter die Naturwissenschaften nicht benutzen, um religiöse Aussagen pseudowissenschaftlich zu stützen. Als Beispiel nannte der Physiker das Konzept des „Intelligent Design“, das Erkenntnisse der Naturwissenschaften als Beweis für einen übernatürlichen Schöpfer anführt, der die Welt erschaffen habe.
Veranstaltungsreihe „Streitgespräche über Gott und die Welt“
Die Diskussion trug den Titel „Gott – Mensch – Universum“. Moderator war der evangelische Theologe Matthias Schleiff von der Universität Münster. Das nächste Streitgespräch am Dienstag, 13. Mai, befasst sich unter dem Titel „Monotheismus – Polytheismus – Trinität?“ mit Gottesbildern. Es diskutieren der Religionswissenschaftler Prof. Dr. Karl-Heinz Ohlig aus Saarbrücken und der evangelische Theologe Prof. Dr. Michael Beintker vom Exzellenzcluster. Die Moderation übernimmt der evangelische Theologe Prof. Dr. Hans-Peter Großhans vom Forschungsverbund.
In der Reihe „Streitgespräche über Gott und die Welt“ diskutieren im Sommersemester Theologen und Nicht-Theologen aktuelle Themen wie Hirnforschung, Wirtschaftsethik und Friedenspolitik. Veranstalter sind der Exzellenzcluster und die Evangelisch-Theologische Fakultät. Die Streitgespräche sind dienstags von 18.15 bis 19.45 Uhr in Hörsaal F1 im Fürstenberghaus am Domplatz 20-22 in Münster zu hören. Das Format trägt den Untertitel „Disputationen zwischen Theologie, Natur- und Gesellschaftswissenschaften“. (ska/vvm)