Die Heilpraktik des Mesmerismus
Neues Buch über die Anfänge moderner Spiritualität Ende des 18. Jahrhunderts
Mit Wissenschaft und Religion in Mesmerismus-Diskursen des 19. Jahrhunderts beschäftigt sich ein neues Buch aus dem Exzellenzcluster. Die Dissertationsschrift von Religionswissenschaftler Dr. Klaus Brand entstand in der Graduiertenschule des Forschungsverbundes. „Ende des 18. Jahrhunderts konzipierte der Arzt Franz Anton Mesmer den nach ihm benannten Mesmerismus als wissenschaftliche Heilpraktik und kosmologische Theorie über Krankheit und Gesundheit“, erläutert der Autor. Die Ursache von Krankheiten lag der Theorie zufolge in der ungleichmäßigen Verteilung einer unsichtbaren Substanz im Körper, dem 'animalischen Magnetismus'. „Beeinflusst der Arzt durch Magnetisieren diese Substanz, würde damit jede Krankheit behandelbar“, schreibt Brand über Mesmers Heilungsverständnis.
Die Untersuchung zeigt, „dass viele Aspekte so genannter alternativer Religion und populärer Spiritualität, die als typisch für unsere Gegenwart angesehen werden, sich schon im Mesmerismus finden“, schreibt Brand. Der Mesmerismus werde nicht erst durch die Rezeption im Spiritismus zu einer wichtigen Strömung in der Ausbildung moderner Spiritualität. „Unsere Gegenwartsreligiosität erscheint somit weniger neu und anders, als es häufig den Anschein hat.“
Das Buch versteht sich als religionswissenschaftlicher Beitrag zur kritischen Auseinandersetzung mit aktuellen Religionsbegriffen. Der Autor untersucht den Mesmerismus im Kontext der Diskurse um Wissenschaftlichkeit. Die Studie wendet erstmalig für die deutschsprachige Religionswissenschaft einen literaturwissenschaftlich-kulturpoetischen Ansatz im Anschluss an den New Historicism an.
Ende des 18. Jahrhunderts stand der Mesmerismus zunächst inmitten der lange unabgeschlossenen Auseinandersetzungen um Wissenschaftlichkeit, da sich schon zu dieser Zeit gerade an ihm Fragen „echter“ und „falscher“ wissenschaftlicher Beweiskraft entzündet haben, wie Religionswissenschaftler Brand erläutert. „Seine große Verbreitung und Popularität unter der Bevölkerung hat der Mesmerismus aufgrund seiner vergleichsweise sanften Praktik erfahren, da er ohne viele der damals üblichen Mittel und Vorgehensweisen, wie dem Aderlass, auskam.“
Schon um die Jahrhundertwende rezipierten dem Autor zufolge Anhänger religiöser Strömungen und des Spiritismus den animalischen Magnetismus. Dies sei jedoch nur eine der vielen Facetten der Rezeptionsgeschichte des Mesmerismus. Das Grenzgebiet zwischen Wissenschaft und Religion werde dabei besonders in der Verarbeitung innerhalb der Literatur des 19. Jahrhunderts etwa von Autoren wie E.T.A. Hoffmann (1776–1822) und Jean Paul Friedrich Richter (1763–1825) deutlich. (MV Wissenschaft/mit/vvm)
Hinweis: Brand, Klaus: Wissenschaft und Religion in Mesmerismusdiskursen des 19. Jahrhunderts. Ein Beitrag zum Religionsbegriff und zur Entstehung moderner Spiritualität (Wissenschaftliche Schriften der WWU Münster, Bd.18), Münster: MV Wissenschaft 2014, 394 Seiten, ISBN 978-3-8405-0093-0, 23 Euro.
Neue Publikationen aus dem Exzellenzcluster „Religion und Politik“