80 Jahre Münsteraner Forschung in der Türkei
Archäologische Schau gibt Rückblick auf Grabungsfunde der WWU
Die Ausstellung „Zwischen Hellespont und Nemrud Dağ“ im Archäologischen Museum der Uni Münster (WWU) präsentiert vom 27. Juni bis 12. Oktober 80 Jahre Münsteraner Forschung in der Türkei. Sie blickt zurück auf Großprojekte der WWU in der südosttürkischen Region Kommagene, in der Altertumswissenschaftler aus Münster im Verlauf des 20. Jahrhunderts zahlreiche Funde machten. Die Ausstellung stellt den Herrscherkult um König Antiochos I. im 1. Jahrhundert vor Christus in der Südosttürkei in den Mittelpunkt, wie Archäologe Dr. Heinz-Helge Nieswandt ankündigt. Beteiligt sind die Forschungsstelle Asia Minor und der Exzellenzcluster „Religion und Politik“. Die Schau präsentiert eine Vielzahl von Exponaten anlässlich des deutsch-türkischen Wissenschaftsjahrs 2014 und der Jahrestagung des Deutschen Archäologenverbandes (DArV) in Münster.
Die Ausstellung, ist dienstags bis sonntags von 14.00 bis 16.00 Uhr im Archäologischen Museum, Domplatz 20-22, zu sehen. Eröffnet wird sie am 26. Juni um 19.30 Uhr. Beteiligt sind zahlreiche Wissenschaftler des Exzellenzclusters, darunter die Althistoriker Prof. Dr. Engelbert Winter und Prof. Dr. Klaus Zimmermann sowie die Archäologen Prof. Dr. Dieter Salzmann und Dr. Heinz-Helge Nieswandt.
Ein besonderer Blick gilt in der Präsentation der Arbeit des 1992 verstorbenen Münsteraner Altertumswissenschaftlers Prof. Dr. Friedrich-Karl Dörner. Zugleich beschäftigt sich die Ausstellung mit dem für den Exzellenzcluster wesentlichen Wechselspiel zwischen Religion und Politik, etwa mit dem von Antiochos I. begründeten Herrscherkult, der die Vergöttlichung der königlichen Familie als zentrales Element beinhaltete.
Exponate ab dem 8. Jahrtausend vor Christus
Die unter Prof. Dörner begonnene Zusammenarbeit verschiedener Forschungsdisziplinen sei richtungsweisend für die vielen wissenschaftlichen Erfolge der vergangenen Jahrzehnte gewesen, erläutert Prof. Winter. „Die Ausstellung bietet Einblicke in Dörners Ausgrabungsarbeit in der Türkei, die in den 1950er Jahren begann und seitens der 1968 von ihm gegründeten Forschungsstelle Asia Minor bis heute fortgeführt wird.“
Die Ausstellung präsentiert vielfältige Exponate, darunter den Gipsabguss einer prähistorischen Kalksteinfigur aus dem 8. Jahrtausend vor Christus, die nahe Arsameia am Fluss Nymphaios gefunden wurde und das jüngste und westlichste Exemplar einer jungsteinzeitlichen Kulturstufe darstellt. Zu sehen sind auch ein Modell des Grabheiligtums von Antiochos I. auf dem Nemrud Dağ, das den Herrscher inmitten der Götter seines Pantheons zeigt, sowie Münzen der Stadt Alexandreia Troas aus dem 3. Jahrhundert nach Christus, deren Bilder von der Entstehung des Heiligtums des Apollon Smintheus und der Stadtgründung erzählen.
Zu den Ausstellungsstücken gehören auch Funde aus dem antiken Heiligtum des Gottes Iuppiter Dolichenus in der Südosttürkei, das die Forschungsstelle Asia Minor seit 2001 mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unter Grabungsleiter Prof. Winter freilegt. Sein Projekt C9 Konkurrenz und Identität in polytheistischen Gesellschaften des antiken Kleinasien – Lokale Kulte zwischen Abgrenzung und Integration aus der ersten Förderphase des Exzellenzclusters war mit dem Grabungsprojekt vernetzt. Weitere Exponate stammen aus dem laufenden Münsteraner Projekt in Patara sowie aus weiter zurückreichenden Aktivitäten, etwa aus Pergamon, Alexandria Troas und Lysimacheia. Das LWL-Landesmuseum für Kunst und Kultur in Münster steuert Fundmünzen von der Spätklassik bis in die hochmittelalterliche Zeit bei.
Erarbeitet und konzipiert wurde die Schau im Rahmen eines interdisziplinär angelegten Praxisseminars von Studierenden unter der Anleitung von Nieswandt sowie den Archäologen Stefan Hofer, Torben Schreiber und Sebastian Whybrew von der WWU.
Prof. Winter leitet am Forschungsverbund das Projekt B2-20 Mediale Repräsentation und ‚religiöser Markt‘: Sichtbarkeit, Selbstdarstellung und Rezeption syrischer Kulte im Westen des Imperium Romanum. Prof. Salzmann, Nieswandt und Schwarzer forschen im Projekt B2-16 Mediale Strategien von Städten und Herrschern in multireligiösen Gesellschaften der Antike. Präsenz und Absenz nicht-indigener Kulte im Lichte materieller Zeugnisse. Prof. Zimmermann ist Leiter des Projekts B2-21 Politik im Kultvollzug – Gottesdienst in der Politik: Die Kultsatzungen (leges sacrae) griechischer Stadtstaaten als Quelle antiken Bewusstseins für religiös-politische Interdependenz. (exc/han/vvm)