Religion, Recht und Politik
Öffentliche Ringvorlesung zum Einfluss der Religion auf das europäische Recht
dienstags 18.15 bis 19.45 Uhr, Hörsaal F2 Fürstenberghaus am Domplatz 20-22
Mit dem spannungsreichen Verhältnis von Religion, Recht und Politik in der Rechtsgeschichte beschäftigt sich die neue, öffentliche Ringvorlesung des Exzellenzclusters „Religion und Politik“. Zur Sprache kommen im Sommersemester historische Fälle aus mehreren Jahrhunderten, wie die Veranstalter und Rechtshistoriker am Mittwoch in Münster mitteilten. Die Besucher der Vorlesungen erfahren etwa, wie sich die Kirche im 9. Jahrhundert gegen Plünderer zur Wehr setzte, und wie kirchliche und weltliche Machthaber das frühneuzeitliche Testamentsrecht für ihre Zwecke zu nutzen suchten. Zum Auftakt der Reihe am Dienstag, 3. April, spricht der Trierer Rechtshistoriker Prof. Dr. Thomas Rüfner über „Mittelalterliches Kirchenrecht in Byzanz und Bologna“.
Die zwölf Vorträge sind dienstags von 18.15 bis 19.45 Uhr im Hörsaal F2 im Fürstenberghaus am Domplatz 20-22 zu hören. Sie konzentrieren sich auf die europäische Geschichte und nehmen diese in einer Langzeitperspektive in den Blick – von der Spätantike bis in den Vormärz. So zeigt etwa der Vortrag „Niedersächsisches Bauernrecht zwischen Staat und Kirche“ an historischen Prozessakten, worum die Parteien im Grenzbereich beider Gerichtsbarkeiten gekämpft haben. Ein weiterer Vortrag beleuchtet „Rechtliches und Christliches im Privatrecht des Vormärz“. Bei der Ringvorlesung des Exzellenzclusters handelt es sich um eine Kooperation mit der Rechtswissenschaftlichen Fakultät.
Das Recht im Spannungsfeld von Politik und Religion
„Kaum ein Rechtssystem beruht ausschließlich auf politisch gesetzten, säkularen Normen“, sagte Rechtshistoriker Prof. Dr. Peter Oestmann. Auch moderne Rechtsordnungen seien ganz wesentlich von religiösen Überzeugungen geprägt. „Das gilt sowohl für religiöse Rechtstraditionen wie das talmudische und das islamische Recht als auch für Europa“, so Prof. Oestmann. „Das europäische Recht gilt zwar heute allgemein als säkular, also als prinzipiell unabhängig von der Religion. Aber das Recht bildet von jeher das Medium, in dem Konflikte zwischen Religion und Politik verhandelt werden und mit dem sich Grenzen zwischen der Religion und der Politik markieren lassen.“
Umgekehrt lässt sich nach Ansicht der Wissenschaftler immer wieder beobachten, dass religiöse Überzeugungen und politische Bewegungen in institutionalisierten Formen verrechtlicht werden. „Das Recht steht damit in spezifischer Weise im Spannungsfeld von Politik und Religion“, erläuterte Rechtshistoriker Prof. Dr. Nils Jansen. Es beanspruche zu verschiedenen Zeiten in verschiedenem Maße seine Unabhängigkeit und seine eigene Rationalität.
„Von dogmatischen Juristen erwartet man ein säkulares Selbstverständnis“, so Prof. Jansen. Jedoch hätten auch Rechtshistoriker den Einfluss von Religion auf das Recht lange ausgeblendet und dabei die Verrechtlichung des Religiösen sowie außerstaatliche Institutionalisierungsprozesse ignoriert. „Erst für die jüngere Generation von Rechtshistorikern ist die interdisziplinäre Arbeit mit Philologen, Historikern, Theologen und Soziologen selbstverständlich geworden“, ergänzt Prof. Oestmann. „Die Ringvorlesung macht deshalb genau das spannungsreiche Verhältnis von Religion, Recht und Politik in der Rechtsgeschichte zum Thema.“ (bhe/vvm)
Programm
Sommersemester 2012
Dienstag 18.15 bis 19.45 Uhr
Hörsaal F2 im Fürstenberghaus
Domplatz 20-22
48143 Münster