"Heilige Kriege" im Alten Testament
Neues Buch von Theologe Prof. Dr. Rüdiger Schmitt über biblische Kriegsschilderungen und ihre Wirkungsgeschichte
Einen Band über die zentralen Texte zu Krieg und Bann im Alten Testament und ihre Rezeptionsgeschichte von den Kreuzzügen bis zum Dritten Reich hat der evangelische Theologe Prof. Dr. Rüdiger Schmitt veröffentlicht. „Diese Texte im Pentateuch und im deuteronomistischen Geschichtswerk sind in der abendländischen Geschichte vielfach zur Legitimierung von Kriegen herangezogen worden“, erläutert Schmitt.
Die heute vielfach als grausam empfundenen biblischen Texte zu Krieg und Bann sind dem Theologen zufolge im Vorstellungshorizont der altorientalischen Königsideologie zu verstehen, wonach jeder Krieg eine religiöse Motivation besitzt, indem der göttliche Wille vom König als seinem irdischen Stellvertreter vollzogen wird. In diesem Sinne seien alle Kriege im alten Vorderen Orient „Heilige Kriege“. Der problematische Begriff sollte jedoch laut Schmitt aufgegeben werden, da es in der Antike keinen „profanen“ Kriege gab.
Beispiele auch aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg
Der Großteil der biblischen Kriegstexte ist nach den Worten des Theologen zwar religionsgeschichtlich diesem Vorstellungshorizont verhaftet, besitzt aber eine andere Funktion: „Die Texte selbst dienen überwiegend der Gesetzespredigt oder der Konstruktion eines kontrapräsentischen kulturellen Gedächtnisses in der Zeit nach der verheerenden Niederlage gegen die Babylonier 587 v. Chr. und des babylonischen Exils sowie der frühen nachexilischen Zeit. Sie entwerfen ein ideales Bild der Eroberung des Heiligen Landes durch die Vorfahren als Gegenbild zur demütigenden Gegenwart.“ Diese Traditionen konnten jedoch, nachdem sie kanonische Geltung als „Heilige Schrift“ erlangt hatten, zur Legitimation von „Heiligen Kriegen“ herangezogen werden, wie der Theologe weiter ausführt. Insbesondere die christliche Theologie habe seit den Kreuzzügen die biblischen Texte zur religiösen Legitimation von Kriegen vor allem gegen die „Heiden“ oder konkurrierende Konfessionen benutzt. Aber auch dissidente religiöse Bewegungen, wie etwa die von Thomas Müntzer geführten Bauern oder die Münsteraner Täufer, konnten sich Schmitt zufolge auf diese Texte berufen und damit schlimmste Formen religiös motivierter Gewalt legitimieren. Anhand von Beispielen aus der Zeit der Kreuzzüge, der Reformation und der Bauernkriege, des Dreißigjährigen Krieges (Gustav II. Adolf als „Neuer Gideon“) sowie aus des Ersten und Zweiten Weltkrieges werden typische Rezeptionsmuster untersucht.
Am 17. Mai 2011 spricht Schmitt in der Ringvorlesung des Exzellenzclusters über die biblische Legitimation religiöser Gewalt bei Thomas Müntzer.
Hinweis: Rüdiger Schmitt: Der „Heilige Krieg“ im Pentateuch und im deuteronomistischen Geschichtswerk. Studien zur Forschungs-, Rezeptions- und Religionsgeschichte von Krieg und Bann im Alten Testament (Alter Orient und Altes Testament 381). Münster: Ugarit 2011, ISBN-13: 978-3868350487 (248 Seiten).