„Das Privatleben bekommt mehr Gewicht“
Prof. Dr. Walter spricht im ZDF heute journal über das Straßburger Urteil zum kirchlichen Arbeitsrecht
Das jüngste Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs in Straßburg stärkt nach Einschätzung des Münsteraner Juristen Prof. Dr. Christian Walter „die individuellen Rechte der Arbeitnehmer“. Das Privat- und Familienleben derjenigen, denen die Kirche gekündigt habe, erhalte künftig mehr Gewicht. Die Entscheidung berühre eine zentrale Stelle des kirchlichen Arbeitsrechts, sagte der Wissenschaftler des Münsteraner Exzellenzclusters „Religion und Politik“ in Interviews der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) und der ZDF-Sendung heute journal.
Das Verhältnis von Staat und Kirche in Deutschland wird sich durch das Urteil nach den Worten von Prof. Dr. Walter nicht grundsätzlich verändern. Der Staat sei nunmehr stärker in die Pflicht genommen, derartige Kündigungsentscheidungen im Einzelfall zu prüfen, sagte der Experte der KNA. Die beiden großen Kirchen ihrerseits hätten durch die Entscheidung ihre bislang praktizierte arbeitsrechtliche Unabhängigkeit teilweise eingebüßt.
Am Donnerstag hatten die Straßburger Richter der Klage eines Organisten und Chorlei¬ters in einer katholischen Essener Gemeinde stattgegeben, der sich in Deutschland vergeblich gegen seine Entlassung gewehrt hatte. Diese war unter Verweis auf arbeitsrechtliche Bestimmungen der katholischen Kirche ausgesprochen worden, nachdem der Musiker sich zunächst von seiner Frau getrennt hatte und seine neue Partnerin dann ein Kind von ihm erwartete. Im Fall eines deutschen Mormonen, dem ebenfalls wegen einer außerehelichen Beziehung von seiner Glaubensgemeinschaft gekündigt wurde, fanden die Straßburger Richter dagegen keinen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. (vvm)