Bedeutender Kultort der Antike entdeckt

Münsteraner Archäologen graben römische Heiligtümer und verschollenes Kloster in der Türkei aus

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Freigelegter Teil des Eingangs in das Heiligtum von Doliche

Münsteraner Archäologen haben im Südosten der Türkei Reste eines bedeutenden Heiligtums der Antike ausgegraben. Nahe der antiken Stadt Doliche legten sie einen ummauerten Eingangsbereich mit einer Freitreppe und weitläufige Fundamente eines Großbaues aus römischer Zeit frei. „Wahrscheinlich handelt es sich um den Tempel für Iupiter Dolichenus, den bedeutenden syrischen Gott auf dem Stier“, teilten Prof. Dr. Engelbert Winter und Dr. Michael Blömer vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) am Dienstag in Münster zum Ende der Grabungssaison mit. Die Forscher fanden auch Reste des mittelalterlichen Klosters Mar Salomon, das bisher nur aus schriftlichen Quellen bekannt war.

Iupiter Dolichenus wurde im 2. Jahrhundert nach Christus zu einer der bedeutendsten Gottheiten des Römischen Reiches. Die altorientalischen Wurzeln des Kultes lagen nach Angaben der Wissenschaftler lange im Dunkeln. „Neue Funde zeigen jetzt aber, dass er in Doliche mindestens bis in die Zeit um 800 vor Christus zurückreicht“, so Archäologe Blömer. Später hätten römische Soldaten Iupiter Dolichenus als Wettergott verehrt, der Allmacht und Fruchtbarkeit verkörperte. „Sie verbreiteten den ursprünglich lokalen Kult in der gesamten römischen Welt.“ Im vergangenen Jahr hatte das Archäologenteam eine Bronzeskulptur des Iupiter Dolichenus und eine Basaltstele entdeckt, die den Gott mit einer Hörnerkrone zeigt. Weitere Erkenntnisse versprechen sich die Forscher durch die Auswertung von tausenden Einzelfunden, die sie dieses Jahr geborgen haben.

Winter und Blömer haben mit einem internationalen Team aus 24 Wissenschaftlern und Studenten sowie 28 türkischen Arbeitskräften in diesem Jahr sieben Wochen in Doliche gegraben. Das Zentralheiligtum des antiken Ortes liegt in der Nähe der heutigen Metropole Gaziantep auf dem Gipfel des 1.200 Meter hohen Berges Dülük Baba Tepesi.

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Held besiegt Löwen: Ein in Doliche gefundenes Siegel aus der Zeit des persischen Großreiches (6. bis 4. Jahrhundert vor Christus)

Die Forscher gruben außerdem in der antiken Stadt Perrhe, 150 Kilometer von Doliche entfernt einen unterirdischen Kultraum aus. Dort stießen sie auf ein Relief mit drei Adlern auf Hirschköpfen. „Welchem Gott es geweiht ist, werden wir 2011 herauszufinden versuchen“, so Prof. Winter. „Dann wird es auch in Doliche weitergehen, wo wir nächstes Jahr zum ersten Mal im eigentlichen Stadtgebiet graben werden, und zwar an einer Stelle, an der bereits zahlreiche Siegelabdrücke geborgen werden konnten. Wir vermuten dort das antike Stadtarchiv.“

Gemeinsam mit Kollegen aus Italien und Großbritannien sucht Blömer außerdem in türkischen Museen nach Hinweisen auf die antike Glaubenswelt der Region. „Viele der untersuchten Ausstellungsstücke stammen offensichtlich aus einem bislang unbekannten Kultzentrum aus dem 1. Jahrhundert vor Christus. Das möchten wir im nächsten Jahr ebenfalls finden und erforschen“, kündigte Grabungsleiter Winter an.

Die Forschungsstelle Asia Minor der WWU gräbt unter Leitung von Prof. Dr. Engelbert Winter seit 2001 mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Heiligtum des Gottes Iupiter Dolichenus. Das Exzellenzcluster-Projekt C9 „Konkurrenz und Identität in polytheistischen Gesellschaften des antiken Kleinasien – Lokale Kulte zwischen Abgrenzung und Integration“ ist mit dem Grabungsprojekt vernetzt. Schwerpunkt ist die Entwicklung von Lokalkulten zu Reichsreligionen.

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In Doliche gefundene Terrakotta-Figurine aus der Frühzeit des Heiligtums (9. bis 7. Jahrhundert vor Christus)

Die Entwicklung altorientalischer Kulte bis in die römische Antike ist auch Gegenstand der Tagung „Kontinuität, Diskontinuität und Wandel. Nachleben und Transformation nahöstlicher Religionen in hellenistischer und römischer Zeit“, die vom 1. bis 3. Dezember im Liudgerhaus in Münster stattfindet. Veranstalter sind Winter und Blömer mit Kollegen aus Bochum und dem dänischen Aarhus sowie das Projekt B1 „Religion und Politik im ältesten Massenmedium der Menschheit. Königliche Münzbilder von der iberischen Halbinsel bis zum Hindukusch“ des Exzellenzclusters.

Zum Einstieg hält Archäologe Stephan Schmid von der Berliner Humboldt-Universität auf Englisch einen öffentlichen Vortrag über „Dark Ages in Greece“, das vermeintlich dunkle Zeitalter der griechischen Geschichte zwischen dem 12. und 8. Jahrhundert vor Christus. Er beginnt am Mittwoch, 1. Dezember, um 20.15 Uhr im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses (Domplatz 20-22). (arn/vvm)