Auf der Spur historischer Verbrechen
Kirchenhistoriker Prof. Dr. Hubert Wolf erhält Stipendium des Historischen Kollegs
Kirchenhistoriker Prof. Dr. Hubert Wolf, Wissenschaftler am Exzellenzcluster „Religion und Politik“, ist als Fellow an das Historische Kolleg in München berufen worden. „Das ermöglicht mir, ein Jahr lang einen spannenden Kriminalfall aus einem römischen Frauenkloster des 19. Jahrhunderts wissenschaftlich aufzuarbeiten“, erläuterte der Wissenschaftler. Sein Vorhaben trägt den Arbeitstitel „Der Fall San Ambrogio. Mordende Nonnen, falsche Mystik und angemaßte Heiligkeit“.
Das 1980 gegründete Historische Kolleg in München dient seinem Statut zufolge der „Förderung namhafter, hervorragend qualifizierter Historiker des In- und Auslandes“. Es wird von mehreren privaten Stiftungen und dem Freistaat Bayern finanziert. Zu den 130 bisher geförderten Historikern zählen Prof. Dr. Jürgen Kocka aus Bielefeld, Prof. Dr. Friedrich Wilhelm Graf aus München, Prof. Dr. Johannes Fried und Prof. Dr. Marie-Luise Recker aus Frankfurt (Main) sowie der 2004 verstorbene Prof. Dr. Wolfgang J. Mommsen. Hubert Wolf ist der erste Münsteraner, dem diese Auszeichnung zuteilwird.
Für 2011/2012 hat das Historische Kolleg je zwei Stipendien an etablierte Historiker und an Nachwuchswissenschaftler vergeben. Sie sollen „frei von anderen Verpflichtungen ein Buch vollenden“. Alle drei Jahre schreibt das Historische Kolleg außerdem den renommierten Deutschen Historikerpreis aus, der vom Bundespräsidenten verliehen wird.
„Anderthalb Meter Akten zum Inquisitionsprozess“
Hubert Wolf verpflichtet sich mit der Annahme des Stipendiums, ein Jahr lang in der Kaulbach-Villa, dem Sitz des Kollegs, zu wohnen und ein Kolloquium zu seinem Thema zu halten. „Ich bin sehr dankbar für die Freiheiten, die das Stipendium mir eröffnet“, sagte er. Im Archiv der Glaubenskongregation stünden anderthalb Meter Akten zu dem entsprechenden Inquisitionsprozess, die es nun detailliert auszuwerten gelte. In den Fall seien auch führende Theologen des 19. Jahrhunderts verwickelt gewesen. „Ich erhoffe mir durch die Auswertung der Akten deswegen nicht nur die Geschichte eines Skandals, sondern einen neuen Blick auf die Parteiungen und die theologischen Entwicklungen in Rom unter Pius IX., der von 1846 bis 1878 Papst war“, sagte Wolf.
Hubert Wolf leitet das Seminar für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte in Münster. Am Exzellenzcluster ist er Vorstandsmitglied, Hauptantragsteller und Leiter des Projekts D9 Der Vatikan und die Legitimation physischer Gewalt. Das Beispiel des Spanischen Bürgerkriegs (1936-1939). Durch seine Forschungen zur Römischen Inquisition, zum Index der verbotenen Bücher sowie zur katholischen Kirche in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus wurde er einem breiten Publikum bekannt. 2003 erhielt er den Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis, den höchstdotierten deutschen Förderpreis. Ein Jahr später zeichneten ihn die Deutsche Forschungsgemeinschaft und der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft mit dem Communicator-Preis aus, weil Wolf sich um die Vermittlung seiner Arbeit in der Öffentlichkeit verdient gemacht habe. (upm)