Die Rechtswissenschaft konzentriert sich nach Einschätzung des Münsteraner Juristen Prof. Dr. Nils Jansen bei der Untersuchung von Rechtssystemen zu sehr auf offiziell in Kraft gesetztes Recht. Sie beschäftige sich bislang fast nur mit verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzen bzw. mit Richterrecht. „Diese rechtlich anerkannten Institutionen passen zwar ohne weiteres in traditionelle staatszentrierte Auffassungen von Recht und Gesetz, es werden aber die wichtigen Dogmatisierungsprozesse vernachlässigt, in denen staatsfern formulierte Rechtstexte als rechtlich autoritativ anerkannt werden“, schreibt Jansen in seinem neuen Buch „The Making of Legal Authority: Non-legislative Codifications in Historical and Comparative Perspective“.
Der Wissenschaftler des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) konzentriert sich in der Publikation auf Texte, die rechtliche Autorität erlangten, ohne dabei von Parlamenten oder Gerichten autorisiert worden zu sein. Das Buch schildert zahlreiche Beispiele vom Mittelalter bis heute: vom Corpus iuris civilis und Sachsenspiegel bis hin zu modernen Beispielen wie den American Restatements, den UNIDROIT Principles für Internationale Handelsverträge und den Grundlegen des Europäischen Vertragsrechts. In all diesen Fällen wurden Normtexte, die von professionellen Juristen, häufig Professoren, formuliert waren, auch vor Gericht als autoritativ anerkannt.
Wie solche „nichtlegislativen Kodifikationen“ als rechtliche Referenztexte etabliert werden, wie sie dabei quasigesetzliche Autorität erlangen, und wie weit solche Prozesse zur Revision konventioneller Konzepte des Rechts nötigen, untersucht Nils Jansen in seinem Buch. Es bietet damit die erste historisch vergleichende Analyse derartiger Dogmatisierungsprozesse und einen provokativen Beitrag zu den aktuellen internationalen Debatten um die Harmonisierung des Europäischen Privatrechts und die Globalisierung des privaten Wirtschaftsrechts. (han)