Königstränen für die bleibende Ordnung

Prof. Dr. Gerd Althoff deutet die Inszenierung von Herrschaft im Mittelalter

News Bericht Ringvorlesung Althoff

Prof. Dr. Gerd Althoff, im Hintergrund Prof. Dr. Christel Meier-Staubach

Wenn im Mittelalter Könige öffentlich weinten und Herzöge vor ihnen niederknieten, hatte das wenig mit spontanen Gefühlen zu tun. Es ging vielmehr darum, die Ergebnisse von Verhandlungen symbolisch und vor Zeugen zu inszenieren, erklärte Professor Dr. Gerd Althoff in der Ringvorlesung des Exzellenzclusters. Vergleichbares lässt sich nach Ansicht des Mittelalter-Historikers noch heute bei Koalitionsverhandlungen und Regierungserklärungen wiederfinden.

Althoff zeigte am Beispiel einiger Königskrönungen, wie vielfältig die Rituale ausgeprägt waren:  Heinrich I., der erste sächsische König, verzichtete im Jahr 919 auf Salbung und Krönung, um seinen Vorrang vor den Großen des Reiches nicht zu betonen. Damit brachte er laut Althoff ein Versprechen zum Ausdruck, das er während seiner Herrschaft einlösen musste. Tatsächlich habe Heinrich I. immer ein freundschaftliches Verhältnis zu den Herzögen gepflegt. „Durch die Rituale wurde eine für alle Beteiligten bindende Ordnung hergestellt“, folgerte der Mittelalterexperte.

Ganz anders verhielt sich der Nachfolger Heinrichs I., Otto der Große: Er ließ sich im Jahr 936 wieder salben und krönen. Ein zeitgenössischer Geschichtsschreiber berichtet außerdem, dass die Herzöge beim anschließenden Festmahl den Gästen dienen mussten. Dieser Linie blieb Otto treu: Laut Althoff forderte er von den Herzögen Unterordnung, statt sie als Freunde zu behandeln. Die Vasallen eines in Ungnade gefallenen Herzogs ließ der Herrscher sogar „große und bissige und überdies vollgefressene“ Hunde in die königliche Stadt Magdeburg zu tragen – eine „ausgesprochene Schmachstrafe“, so Althoff. Weil die Herzöge sich nicht dauerhaft unterordnen wollten, sei Ottos Königtum fast gescheitert.

Dass die Könige des  Mittelalters durch Inszenierungen auch auf christliche Werte wie Milde, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Demut verpflichtet wurden, zeigte Althoff am Beispiel Konrads II., des ersten Kaisers aus dem Geschlecht der Salier. Dieser söhnte sich im Jahr 1024 zunächst tränenreich mit seinen Gegnern aus. Auf dem Weg zu seiner Krönung nahm er sich dann demonstrativ die Zeit, einen Waisen, eine Witwe, einen Bauern der Mainzer Kirche und einen „ins Elend Gefallenen“ anzuhören.

Wie genau die Könige, Herzöge und Bischöfe hinter den Kulissen ihre Rechte und Pflichten aushandelten, beschreiben die Quellen nicht. Streit wird Althoff zufolge in den Berichten über die Inszenierungen nur selten deutlich. In der Regel hätten die Rituale dazu gedient, den Eindruck von Beständigkeit, Einigkeit und Freiwilligkeit zu erwecken.

Ob die Inszenierungen der Mächtigen in der Neuzeit ähnlichen Gesetzen folgen, wird sich schon am kommenden Dienstag, 10. November, um 18 Uhr zeigen. Dann spricht die Nordamerika-Historikerin Prof. Dr. Heike Bungert im Hörsaal F2 des Fürstenberghauses (Domplatz 20-22) über Amtseinführungen amerikanischer Präsidenten. (arn)


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Prof. Dr. Heike Bungert auf den Seiten der WWU