Ein etwas anders gelagertes Beispiel bietet Vers 24 (daz er im bittende wese). Er ist in drei Überlieferungsträgern enthalten:
Das er in bittende wese A (Mitte 14. Jh., Straßburg, verbrannt) daz er bitende wese Ba (um 1330, Heidelberg, cpg 341) daz er bitende wese Bb (um 1330, Genf-Cologny, Cod. Bodmer 72)
Das metrische Problem liegt hier in dem Wort bittende / bitende. Man mag einwenden, auf ein einfaches oder ein doppeltes t könne es nicht ankommen. In metrischen Dingen kommt es aber genau auf solche Feinheiten an. Die Schreibung mit einem Doppelkonsonanten ermöglicht es augenscheinlich, die Silbe bit- als geschlossene und damit phonetisch schwere Silbe zu begreifen. Dies ist aber die notwendige Voraussetzung dafür, dass auf dieser Silbe eine beschwerte Hebung liegen kann. Bei Schreibung mit einfachem t scheint nur ein dreihebiger Vers möglich:
o o o 24 daz er im bitende wese r °t r°wqr°wq ^ °
Der Augenschein trügt an dieser Stelle: Aus Sicht der historischen Grammatik ist allein die Form mit Gemination (also mit zwei t) korrekt, da bitten ein so genanntes jan-Verb ist; vgl. gotisch: bidjan (westgermanische Gemination vor j). Durch Systemausgleich kommt es in mittelhochdeutscher Zeit zu einer Dominanz von Formen ohne Gemination, gerade auch im Fall von bitten – biten (Paul 1998, § 96). Obwohl gerade im alemannischen Sprachraum die Formen mit Gemination dominieren, ist für Hartmann durchweg biten im Reim belegt (ebd., Anm. 3).
Dennoch wurde in mittelhochdeutscher Zeit die erste Silbe von bitten als gedeckt empfunden, denn die Kürze des Vokals hat sich bis in die heutige Zeit erhalten. Es bleibt kein Raum für Zweifel: Die Silbe ist gedeckt und damit phonetisch schwer, gleichgültig, wie die Schreibung aussieht. Die Herausgeber des ›Armen Heinrich‹ haben sich mit dieser Problematik nicht explizit befasst. Die meisten Ausgaben weisen einfaches t auf – begründet wird dies an keiner Stelle. Aus metrischer Sicht wäre die Schreibung mit zwei t vorzuziehen.