• 1. Grundsätzliches

  • 2. Der höfische Reimpaarvers
  • 2.1 Der arme Heinrich
  • 2.2 Alternierender Rhythmus
  • 2.3 Metrik und Editionsphilologie
  • 2.3.1 Editionsphilologie Vers 33
  • 2.3.2 Editionsphilologie Vers 24
  • 2.3.3 Editionsphilologie Resümee

  • 3. Strophik

  • 4. Der Leich
  • 2.3.1 Vers 33

    Der Vers 33 (nie deheiner der tugent) ist in vier Textzeugen überliefert und damit recht gut bezeugt:

    Dekeine der tugent.	A (Mitte 14. Jh., Straßburg, verbrannt)
    aller der tvgent     	Ba (um 1330, Heidelberg, cpg 341)
    aller der tvgent     	Bb (um 1330, Genf-Cologny, Cod. Bodmer 72)
    An deheins tvgent     	E (um 1300, München, cgm 5249, Nr. 29b)

    Für keine dieser vier Varianten liegt eine vierhebige Lesung nahe. Aus diesem Grund hat Ludwig Wolff, der hier weitgehend dem Text von A folgt, ein handschriftlich nicht gestütztes nie eingefügt. Damit griff er einen Vorschlag von Gierach 1925 (S. 97 zu Vers 33), der es ermöglicht, diesen Vers vierhebig zu lesen: nie deheiner der tugent (bis zur 15. Auflage des ›Armen Heinrich‹ in der Reihe ‚Altdeutsche Textbibliothek).

    Der Herausgeber Kurt Gärtner hat mit der 16. Auflage diese Konjektur gelöscht, indem er der Handschrift A folgt und den Kasus des Adjektivs korrigiert (Mertens 2004 geht noch weiter: deheine der tugent). Gärtner äußert sich nicht zu den metrischen Konsequenzen seiner Entscheidung; man kann vermuten, dass er eine dreihebige Lesung für möglich hält:

                        o  p           o
         33     deheiner der  tugent
                  r°i°z r °wq ^  °

    Schon vor Gärtner hatten Mettke 1974 und Rautenberg 1993 in ihren Ausgaben diesen Vers gegenüber Wolff geändert. Mettke hat sich recht ausführlich zu Vers 33 und dessen Metrik geäußert; seine Einschätzung lautet:

    In einigen Fällen werden von den Herausgebern gegen A und B Wörter des Rhythmus oder des Inhalts wegen eingefügt, hier halte ich mich z. T. wieder an die Überlieferung; z. B. V. 33: nie hat Gierach ergänzt, Leitzmann und Wolff haben es übernommen. Wenn bei Hartmann eine Entwicklung festzustellen ist, daß er die im allgemeinen unbetont bleibenden Wörter beschwert (Zwierzina, ZfdA. 45, S. 280, und K. Schacks, Pretzel-Festgabe, S. 72ff.), kann auch hier der, das dann vom Relativpronomen aufgenommen wird, betont sein (Schacks bringt genügend Belege dafür). Ich lese also mit A: dehéinèr dér túgent, aber auch B entspricht dieser Betonung: állèr dér túgent. E hat hier offenbar eine ältere Fassung.“ (Mettke 1974, S. 156). Rautenberg 1993, S. 96f. übernimmt diese Sichtweise.

    Auch wenn man Mettkes Ansicht folgt, bleibt diese Verteilung der Hebungen etwas unbefriedigend, der Vers wirkt metrisch überakzentuiert. Gleichwohl ist Mettkes Vorschlag aus wissenschaftlicher Sicht wohl überzeugender, als die Gierachsche Lösung, nach der ein Wort gleichsam aus dem Nichts hinzugedichtet wurde.

    Anmerkung: Das Fragment E eröffnet eine alternative Möglichkeit der Textherstellung. Die Verse 32f. lauten dort: Des inwas nit usrgezzen / An deheins tvgent. Wenn man unterstellt, dass in E ein der ausgefallen ist, könnte man, E als lectio difficilior wertend, folgenden, metrisch stimmigen Text vorschlagen:

                              o     o          o    p
         32     des enwas niht vergezzen
                    r   r°i° t    r°i°z  ^ °
    			 
                   o        o   p            o
         33     an deheiner [der] tugent.
                °t   r°i°z    r ° w q   ^°






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