Abstract
Die verstärkte gegenseitige Sichtbarkeit im digitalen Zeitalter hat die Beziehungen zwischen Journalist*innen und ihrem Publikum grundlegend verändert. Das modifizierte Verhältnis kann sowohl partizipative und deliberative Prozesse der öffentlichen Meinungsbildung fördern als auch Polarisierung und Medienfeindlichkeit offenbaren. Angesichts dessen stellt sich die Frage, wie reziproke Erwartungen und ihre (Nicht-)Erfüllung Journalismus-Publikums-Beziehungen beeinflussen. Sie steht im Zentrum des durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojekts. Ziel des Projekts ist es, Beziehungen zwischen Journalist*innen und ihrem Publikum in digitalen Kontexten besser zu verstehen und Erklärungen für deren Funktionieren oder Scheitern sowie mögliche Konsequenzen für Demokratie und Gesellschaft zu finden.
Vorgehen
Das Verbundprojekt modelliert das Zusammenspiel wechselseitiger Erwartungen von Journalist*innen und Rezipient*innen sowie die Folgen erfüllter bzw. enttäuschter Erwartungen in einem ersten Schritt auf Grundlage von Journalismusforschung sowie interpersonaler und strategischer Kommunikationsforschung. In einem zweiten Schritt wird diese Modellierung in fünf aufeinander aufbauenden empirischen Teilstudien überprüft und fortentwickelt. Welche wechselseitigen Erwartungen bestehen und welche Bedeutung diesen zugeschrieben wird, explorieren (1) qualitative Interviews mit Journalist*innen und (2) Publikumsvertreter*innen sowie eine (3) Q-Sort-Befragung beider Seiten. Auf Basis quantitativer Befragungen – wiederum von (4) Journalist*innen und (5) Publikum – wird im Anschluss betrachtet, wie sich die Erfüllung bzw. Enttäuschung der Erwartungen auswirkt. Dabei geht es auf der einen Seite um die Frage, welche Konsequenzen für die Journalismus-Publikum-Beziehung resultieren. Auf der anderen Seite stehen Folgen für Demokratie und Gesellschaft im Mittelpunkt, so z. B. die Frage, unter welchen Umständen enttäuschte Erwartungen des Publikums zur Abwendung von journalistischen Medienangeboten oder Medienfeindlichkeit führen.