Forschungsaufenthalt am Germanistischen Institut im Bereich der Mehrsprachigkeit
Dr. Jan Vanhove ist Sprachwissenschaftler und im Bereich der Mehrsprachigkeitsforschung an der Universität Fribourg (Schweiz) tätig. Im Sommersemester 2017 hält er sich als Gastforscher am Lehrstuhl von Prof. Dr. Christine Dimroth am Germanistischen Institut der WWU auf. In diesem Interview berichtet er von seiner Forschung, seinen Erfahrungen und Eindrücken hier.
I: Herzlich willkommen am Germanistischen Institut! Berichten Sie doch mal, was Sie nach Münster geführt hat.
JV: Der Grund dafür war, dass ich seit 2010 schon an derselben Uni arbeite, an der Universität Freiburg, und ich bin da sehr gerne, aber ich habe dann zum Beispiel irgendwann befürchtet, dass man sich im Gespräch mit den immer gleichen Leuten stets in seiner eigenen Meinung bestätigt sieht, weil es so eine Art Kreislauf von Meinungen gibt, und deshalb habe ich dann nach sieben Jahren gedacht, dass ich, obwohl ich kein Professor bin, ein Anrecht auf ein Sabbatical haben könnte. Das hatte ich dann zwar nicht, aber wir haben das dann trotzdem irgendwie geregelt, um mal frische Luft zu schnaufen und mal vom Unterricht befreit zu sein. Es ist hier für mich eigentlich nur ein halbes Semester, denn ich bin zu Ostern hier angekommen und gehe Ende Juni wieder, aber unser Semester in der Schweiz hat schon im Februar angefangen. Deshalb bleibe ich hier auch nicht mehr im Juli, denn irgendwann muss man auch mal Ferien haben.
I: Was ist Ihr Forschungsgebiet?
JV: Ich bin Sprachwissenschaftler und beschäftige mich mit Mehrsprachigkeitsforschung, und zwar ganz breit definiert, also von Zweitspracherwerb über Bilingualismus, womit ich mich zum Beispiel in meiner Dissertation beschäftigt habe; das war rezeptive Mehrsprachigkeit, ging also der Frage nach, wie gut man zum Beispiel als Deutschsprachiger Schwedisch verstehen kann, ohne jemals Schwedisch gelernt zu haben. Ich bin angestellt in Freiburg am Departement für Mehrsprachigkeitsforschung; das ist ein eigenes Departement. Der Grund, weshalb ich für zehn Wochen hierhin komme, ist, dass hier einige Professoren zu Themen forschen, die für meinen Schwerpunkt sehr relevant sind.
I: Wie kam es zum Kontakt mit Frau Prof. Dimroth?
JV: Das wurde mir von meinem ehemaligen Betreuer empfohlen. Frau Prof. Dimroth ist in der Zweit- und Fremdspracherwerbsforschung sehr angesehen und hat originelle Ideen, was für mich sehr nützlich ist. Ich kann gut Ideen umsetzen, aber sie selbst zu bekommen, ist dann doch eine andere Herausforderung. Deswegen war es gerade gut, mal woandershin zu gehen, um einfach mal frischen Wind zu bekommen.
I: Sie sind also auf einem guten Weg, was Ideenfindung angeht?
JV: Ja, auf jeden Fall! Wie gesagt, ich arbeite mit Frau Prof. Dimroth zusammen, und auch in der Anglistik gibt es jemanden, der im Laufe des letzten Jahres nach Münster gekommen ist und mit dem ich zusammenarbeite. Für eine neue Studie, die an der Schnittstelle von niederländischer Philologie und Fremdspracherwerbsforschung angesiedelt ist, gibt es hier einen Professor aus der niederländischen Philologie, auf dessen Arbeiten zur Dialekt-Forschung ich zurückgreifen kann. Dass ich ihn hier persönlich treffen kann, ist natürlich auch sehr förderlich. Es gibt also auf engstem Raum drei Leute, deren Arbeit sehr relevant für mich ist. Es ist darüber hinaus natürlich schwierig, für nur ein halbes Semester etwa nach Kanada oder Neuseeland zu gehen; da ist man mit Europa schon sehr viel besser beraten.
I: Wie empfinden Sie denn die Forschungsbedingungen hier?
JV: Das kann ich schwer beurteilen. Ich habe allerdings den Eindruck, dass die Uni-Mitarbeiter sehr viel unterrichten müssen. Ich kann mir deshalb kaum vorstellen, dass jemand während des Semesters viel zu Forschung kommt, es sei denn, er hat eben ein Semester, das rein für Forschung vorgesehen ist. Das ist aber natürlich überall so, aber in der Schweiz kommt man meinem Eindruck nach zumindest mehr dazu, während des Semesters zu lesen, sich Gedanken zu machen und sich auszutauschen.
I: Fühlen Sie sich denn hier wohl?
JV: Der größte Faktor ist für mich, dass ich hier nicht unterrichten muss. Das ist natürlich sehr angenehm. Und durch die räumliche Distanz zu meiner Heimat bin ich hier nicht von Dingen abgelenkt, die mit meiner Forschung nichts zu tun haben. Ich arbeite sehr fokussiert auf mein Thema.
I: Sind in der Zukunft irgendwelche gemeinsamen Projekte mit Frau Prof. Dimroth geplant?
JV: Ich versuche, eine Idee, die sie hatte, auszuarbeiten und zu überprüfen, ob sie wirklich funktionieren würde. Ich habe schon die Hoffnung, dass wir diese Idee in Zusammenarbeit weiter elaborieren können, wenn sie prinzipiell funktioniert. Es gibt hier auch die Ambition - unter der Leitung vom Departement für niederländische Philologie - dass ein Graduiertenkolleg beantragt wird, wo man dann Mehrsprachigkeit und Sprachkontakt in der niederländisch-deutschen Grenzregion untersuchen würde. Das ist etwas, was mich sehr interessieren würde, auch wenn ich geographisch eigentlich etwas entfernt bin. Das schließt sowohl an Mehrsprachigkeitsforschung als auch an die Forschung über rezeptive Mehrsprachigkeit an, also: Wie versteht man als Deutscher Niederländisch und wie versteht man als Niederländer Deutsch? Da kommt auch die Dialektologie zum Tragen. Ich hoffe, dass ich da einen Beitrag liefern könnte. Das ist aber alles ein bisschen hypothetisch, da das Ganze zunächst mal beantragt werden muss.
I: Sie sind jetzt schon seit Ostern hier. Sind sie schon ein Münsteraner geworden? Welche Eindrücke haben Sie von der Stadt?
Die Stadt selber ist schön, aber mir fehlen die Berge. Was ein bisschen schade ist: Ich habe leider kein Fahrrad. Als ich die Wohnung über das International Office reserviert habe, habe ich davon gelesen, dass man ein Rad mieten könnte, aber es hat sich dann herausgestellt, dass das nicht der Fall ist, jedenfalls nicht über die Uni selbst. Ich profitiere davon, viel Fisch zu essen. Das gibt es bei uns nicht so. Da merkt man die Nähe zur Nordsee.
I: Danke für Ihre Eindrücke! Alles Gute und genießen Sie noch die Zeit hier!
(Interviewerin: Albina Haas, Redaktion: Jan Rösmann)