Abstracts zu den Vorträgen
Annik Grzeszkowiak
Ne - multimodal
Die fortwährende Verständigung zwischen InteraktionspartnerInnen ist eine zentrale Aufgabe im Gespräch (vgl. Deppermann 2018: 111). Um einen gemeinsamen common ground aufzubauen und diesen stetig weiterzuentwickeln, müssen die GesprächsteilnehmerInnen ihre Beiträge aneinander anpassen und sich wechselseitig ihr Verstehen entweder auf verbale oder auf nonverbale Weise anzeigen (vgl. Deppermann und Schmitt 2008: 228). Ein solcher intersubjektiver Abgleich, ein alignment (vgl. Lanwer 2019), wird auch durch question tags (vgl. König 2017) wie ne vorgenommen, da in seiner prototypischen Verwendungsweise explizit eine verbale oder nonverbale Erwiderung des Gesprächspartners oder der -partnerin auf das bisher Gesagte eingefordert wird. Teilweise bleibt diese Reaktion jedoch auch aus, es wird nicht einmal auf eine solche gewartet, da der Marker an dieser Stelle lediglich diskursstrukturierend eingesetzt wird (vgl. Lanwer 2019: 39–41). Die verschiedenen Verwendungsweisen von ne sollen nun innerhalb dieses Projekts aufbereitet und strukturiert werden. Im Sinne der Erkenntnis, dass bei der Konversationsanalyse eine multimodale statt einer rein verbalen Untersuchung die Komplexität einer Interaktion angemessener abzubilden vermag (vgl. Schmitt 2005: 17), soll diese Systematisierung in besonderer Weise durch die Untersuchung des Blicks (gaze) der InteraktionsteilnehmerInnen ergänzt werden. Die gesprächskonstituierende Funktion des Blicks wurde bereits in einigen Arbeiten nachgewiesen (vgl. Kendon 1967; Streeck 2014), sodass anzunehmen ist, dass gaze auch verstehensanzeigende Aufgaben übernehmen kann und somit im interaktionalen Kontext des Alignmentmarkers ne eine besondere Rolle spielt. Innerhalb dieses Projekts wird die interaktionale Verwendung des Alignmentmarkers ne im Kontext des Blickverhaltens der GesprächsteilnehmerInnen anhand authentischer Daten untersucht. Der Vortrag Ne – multimodal wird einen Einblick in den aktuellen Bearbeitungsstand gewähren.
Julia Pupkes
Niederdeutsch als Wahlpflichtfach - Ein Vergleich der Einstellungen von Lehrer*innen und Schüler*innen in Aurich und Münster
Das Niederdeutsche wird trotz positiver Bewertungen immer seltener gesprochen. Zu diesem Ergebnis kommen diverse Studien über die niederdeutsche Sprache im norddeutschen Raum. So haben im Jahre 1984 noch 35% (vgl. Stellmacher 1987: 20) und 2007 lediglich 14% (vgl. Möller 2008: 33) der Befragten das Niederdeutsche sehr gut oder gut gesprochen. Es ist zu erkennen, dass der Rückgang der niederdeutschen Sprache sich so rasant vollzieht, dass von einem bevorstehenden „Sprachentod“ die Rede sein kann. Damit das Niederdeutsche nicht ausstirbt, ist die Weitergabe an die folgende Generation entscheidend. Hierfür eignet sich vor allem der Unterricht von Niederdeutsch in der Schule. Diesbezüglich lassen sich in Niedersachsen mehr Fortschritte verzeichnen als in Nordrhein-Westfalen, obwohl sich beide Bundesländer dazu verpflichtet haben, Niederdeutsch zu fördern und zu schützen. Um zu erfahren, welche Einstellungen gegenüber Niederdeutsch (als Wahlpflichtfach) in der Schule vorliegen, sollen Lehrer*innen und Schüler*innen an Auricher und Münsteraner Schulen befragt werden. Es soll geklärt werden, ob sich positive Einstellungen auf die Bereitschaft für ein Schulfach Niederdeutsch auswirken und wo die generellen Einstellungen ihren Ursprung haben.
Silvana Vialardi
Jugendsprache in YouTube-Videos - Eine vielversprechende Ressource für den DaF-Unterricht?
Die Forderung nach einer stärkeren Fokussierung authentischer Kommunikation im Fremdsprachenunterricht besteht schon seit geraumer Zeit. Im DaF-Unterricht in der Schule erfreut sich deshalb das Thema der Jugendsprache großer Beliebtheit (vgl. Neuland 2010). Das Hauptargument ihrer Legitimation ist dabei die Motivation jugendlicher DaF-LernerInnen, mit Gleichaltrigen in der Zielsprache Deutsch angemessen kommunizieren zu können (vgl. ebd.). Das stellt den DaF-Unterricht vor die Aufgabe, die Jugendsprache als relevantes Thema aufzugreifen und in den Lehrwerken umzusetzen. Trotz der Bemühungen einiger LehrwerkautorInnen tritt ein Kritikpunkt in der Umsetzung immer wieder auf: zu künstlich wirkende Textbeispiele (vgl. Baurmann 2003; Becker 2019; Neuland 2008; Wichmann 2016). Um konstruiert wirkende Dialoge künftig zu vermeiden, ist ein Rückgriff auf aktuelle und authentische Sprachbeispiele nötig. Das Videoportal YouTube ist für diesen Anlass eine hervorragend geeignete Quelle, denn dort laden jugendliche YouTuberInnen täglich Videos hoch, in denen sie (unbewusst) authentisch interagieren und deren Themen im Rahmen eines Landeskundeunterrichts facettenreiche Inhalte bieten.Um dem Aktualitätsanspruch gerecht zu werden, fungieren in diesem Projekt YouTube-Videos der Gattung „YouTuberIn reagiert auf TikTok-Videos“ als Grundlage. Die TikTok-Videos werden gattungsanalytisch beschrieben und die Kommentare der YouTuberInnen nach gesprächsanalytischen Methoden untersucht. Im Zuge der Analyse werden jugendsprachliche Merkmale herausgefiltert und kategorisiert, um anschließend aus den Resultaten heraus Möglichkeiten der Didaktisierung für den DaF-Unterricht schildern zu können.
Stefanie Pauline Krain
Jugendliche Influencer*innen - Spezifika der Kommunikation Jugendlicher in Stories auf Instagram
Der Beitrag widmet sich der Frage, wie sich die Sprache jugendlicher User*innen im Story-Format des sozialen Mediums Instagram niederschlägt. Bei Stories handelt es sich um jeweils max. 15 Sekunden andauernde Videos, die einzeln oder additiv gepostet werden können und sich nach 24 Stunden wieder löschen. Ähnlich wie bei anderen Formen internetbasierter Interaktion liegen bei den meisten sprachlichen Handlungen in Instagram-Stories keine klassischen Konversationen (vgl. Imo/Lanwer 2019: 17) im engeren Sinne vor. Zudem lassen sie sich weder eindeutig der Interaktion noch der Textkommunikation zuordnen (vgl. Beißwenger 2020: 296). Dies wirft sowohl Fragen in Bezug auf linguistische Begrifflichkeiten als auch in Bezug auf mögliche Analysemethoden auf. Zunächst soll deshalb – nach einem Überblick über die unterschiedlichen Äußerungsformate auf Instagram – geklärt werden, wo sich diese neue Form der Kommunikation zwischen bekannten Konzepten einordnen lässt. Die Analyse geschieht anhand frei zugänglicher Instagramstories von Jugendlichen mit mehr als 100.000 Follower*innen, welche zuvor auf der Plattform erhoben werden. Sie werden in Hinblick auf ihre unterschiedlichen „[s]emiotisch-mediale[n] Interpendenzen“ (Schneider 2017: 45), Affordanzen (vgl. Pentzold et al. 2013: 85–87) sowie die kommunikative Praktiken der User*innen näher untersucht. Die vorgefundenen Sprachformen werden dabei multimodal analysiert (vgl. u. a. Siever 2013: 243–247, Stukenbrock 2009: 151–160) und mit bestehenden Erkenntnissen der Jugendsprachforschung abgeglichen. Auch soll geklärt werden, inwiefern man bei Instagramstories von einer neuen kommunikativen Gattung (vgl. u. a. Günthner/Knoblauch 1997, Dürscheid 2005) ausgehen kann.
Joscha Lordieck
Name ist Schall und Rauch - Identitätskonstitution auf Instagram im deutsch-koreanischen Vergleich
Namen sind seit jeher Teil einer Kultur. Wie auch die Sprache, entwickeln sie sich innerhalb aktiver Sprachgemeinschaften im Laufe der Zeit. Insbesondere durch das Aufkommen neuer Kommunikationsformen entstehen Möglichkeiten der Entwicklung dieser onomastisch-sozialen Identitätsmarker. Instagram ist eine neue soziale Plattform, die zum Teilen von Fotos und Videos genutzt werden kann. Diese Plattform entwickelt sich stetig, wird weltweit verwendet und durch die Wahl des Nicknames findet dort eine Konstitution einer sozialen Identität statt (Schlobinski, Siever 2018). Durch einen interkulturellen Vergleich – genauer einen deutsch-koreanischen – werden Nicknames durch eine Clusteranalyse und onomastische Methoden (Nübling 2012) näher untersucht, denn diese Forschungsaspekte wurden auf Instagram bisher kaum ergründet.Mit meiner Forschungsarbeit, die durch ein persönliches Interesse an der koreanischen Sprache motiviert ist, werden diese Nicknames auf Instagram herausgearbeitet, es wird festgestellt, welche Klassen von Namen bestehen und welche Korrelationen sich daraus ergeben. Sind Namen wirklich nur Schall und Rauch (vgl. Goethes Faust 1)? Oder kann die altbekannte Aussage „nomen est omen“ (Nübling 2012: 11) tatsächlich verifiziert werden?
Susanna Kowalkowska
#icantbreathe - Zur diskursiven Verhandlung von Polizeigewalt auf Twitter anhand des Beispiels des Mordes an George Floyd
Sprachliche Diskurse werden von dem aktuellen Geschehen beeinflusst und gesellschaftliche Konflikte manifestieren sich sprachlich in unterschiedlichen Textsorten. Seit dem Mord an George Floyd in den USA in Mai 2020 und den darauffolgenden Protesten manifestierte sich in den sogenannten neuen Medien ein Diskurs über Polizeigewalt, der prominent vertreten war und ist. Bislang wurde diesen partizipativen Spektakeln seitens der Linguistik wenig Aufmerksamkeit zuteil. Durch die kurze und schnelllebige Form von Tweets (ein Tweet erlaubt 280 Zeichen) sind die sprachlichen Äußerungen durch plattformspezifische Merkmale wie konzeptuelle Mündlichkeit (Koch/Oesterreicher 1986) geprägt. Mögliche weitere Erkenntnisse der Analyse dieser Online-Diskurse sind sprachliche Strategien wie Bedeutungskonkurrenzen oder Argumentationsmuster zur Konstruktion sozialer Wirklichkeit. Der Beitrag wird diskursanalytisch und qualitativ (vgl. u.a. Spieß 2011) vorgehen. Es werden Tweets aus den Hashtags #georgefloyd #polizei und #icantbreathe für den deutschsprachigen Raum untersucht.
Stefan Rolfs
Sprache und Politik in Zeiten der Pandemie - Wie politisch Rechte die Sprache zur Manipulation instrumentalisieren und somit die Wahrnehmung auf die Realität beeinflussen und die Gesellschaft spalten
Sprache ist in der Politik unabdingbar. Allerdings nicht zur rein informativen Vermittlung politischer Inhalte. Vielmehr nutzen Politiker*innen als teils meisterliche Rhetoriker*innen die Sprache als Instrument der Beeinflussung: Der (‚richtige’) Sprachgebrauch kann entscheidend sein für die Überzeugung und somit Manipulation der Zuhörerschaft. Die letzten Jahre zeigen jedoch, dass diese manipulative Nutzung von politisch Handelnden immer extremere Formen angenommen hat. So reichen meist schon einzelne, bewusst gewählte Wörter, um die politischen Rezipient*innen zu manipulieren. Aktuellstes Beispiel ist der Vergleich des überarbeiteten Infektionsschutzgesetzes, welches am 18.11.2020 im Bundestag verabschiedet wurde. In diesem Kontext zogen im Vorfeld parteipolitische Akteure den Vergleich zum ‚Ermächtigungsgesetz‘ aus dem Jahr 1933. Dieses Framing manipuliert immens die Wahrnehmung auf die Realität und somit den Menschen selbst (vgl. Niehr 2014: 76). Ebenjenes Beispiel steht stellvertretend für eine Art der politischen Kommunikation, die vor allem von politisch Rechten in Zeiten der Pandemie betrieben wird, die polarisiert und das gesellschaftliche Gleichgewicht stören soll. Folglich wird dieser Vortrag im Besonderen ebendiese politische Kommunikation in der Art beleuchten, als dass Beiträge aus sozialen Medien dahingehend untersucht werden, inwiefern die Rezipient*innen bewusst manipuliert werden sollen, um eine Wahrnehmung auf die politische Tagespolitik zu bekommen, die ebendiesen rechten Gruppierungen, sei es parlamentarisch oder außerparlamentarisch, zuträglich ist und ihnen somit eine vermeintliche Meinungshoheit in den sozialen Medien und im politischen Diskurs zuspricht.