„Jeder kann es“, sagt Thomas Bartoschek. „Unsere älteste bekannte Nutzerin ist 84 Jahre alt.“ Sie ist eine von mehreren Tausend Bürgerinnen und Bürgern, die eine senseBox programmiert und zusammengebaut haben und damit Umweltdaten in ihrer Umgebung messen. Citizen Science nennt sich das Prinzip, das dahinter steht: Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung sollen im Sinne einer Bürgerwissenschaft von vielen verstanden und genutzt werden.
Thomas Bartoschek ist Mitbegründer und Leiter des senseBox-Projekts. Er forscht am Institut für Geoinformatik der WWU Münster in den Bereichen „Lernen mit Geotechnologien“, Human-Computer-Interaction und Citizen Science. Die Idee zur senseBox entstand 2014 im Rahmen des Forschungs- und Schülerlabors GI@School. „Wir haben einen Bildungsauftrag“, sagt Thomas Bartoschek. „Wir wollen weg vom Black Box-Prinzip und Menschen befähigen, mit der Technik umzugehen.“ Und er ist ein „Open Data-Enthusiast“. Alle ermittelten Daten stehen auf einer weltweiten Plattform zur Verfügung. „Die Daten gehören der Menschheit.“
Die senseBox bildet all diese Ansprüche idealtypisch ab – und sie hat unternehmerisches Potenzial. 2015 erhielt das Projekt erstmals eine Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung, 2016 die Zusage für ein dreijähriges Forschungsprojekt. „Durch die Förderung konnten wir das Produkt weiterentwickeln, aber vor allem auch Marktforschung, Werbemaßnahmen und Usability Studien vorantreiben“, sagt Thomas Bartoscheck. „Wie können wir Bürger dazu bringen, Luftqualität zu messen und mit den Geräten umzugehen?“, war so nicht mehr nur eine Forschungsfrage, sondern eine Frage von Kundenorientierung und Marketing.
senseBox, die „Kiste mit Sinn“, gibt es inzwischen in zwei Varianten: In Bildungseinrichtungen, Jugendzentren, Schulen und Hochschulen wird mit der senseBox:edu u.a. das Programmieren und wissenschaftliche Arbeiten erlernt. Die senseBox:home ist ein Bausatz, der nur noch zusammengebaut werden muss, um Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Feinstaubbelastung oder UV-Strahlung messen. Erweitern lässt sich das Ganze auch, um z.B. Daten zur Wasserqualität oder Schallbelastung zu erfassen.
Im April 2018 wurde senseBox offiziell als Unternehmen gegründet. Mit Thomas Bartoschek sind weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Team der GmbH. „Das ist eine andere Art der Ernsthaftigkeit“, sagt Thomas Bartoschek über die veränderte Perspektive. „Im Forschungsprojekt sind wir uns selbst und der Uni gegenüber verpflichtet, jetzt sind wir vor allem den Kunden gegenüber verpflichtet.“ SenseBox ist das erste Produkt des jungen Unternehmens im Bereich der digitalen Bildung und es soll weiter wachsen. „Wir generieren Milliarden Datenpunkte, die für Wissenschaft und Wirtschaft relevant sind. Das ist unser Geschäftsmodell: Mit den Daten weitere Produkte zu entwickeln.“
„Schon das Forschungsprojekt hat gezeigt, dass die senseBox sehr viel Potenzial hat, um technikaffine Bürger und Schüler dafür zu begeistern, selber eine Sensorstation für Umweltdaten zu betreiben. Wir freuen uns sehr, dass es mit reedu nun ein spin-off gibt, das aus dem Forschungsprojekt senseBox ein professionelles Produkt machen und dieses auf dem Markt vertreiben wird. Ich bin mir sicher, dass der Schritt der Ausgründung sich sehr positiv auf die Verbreitung der senseBox auswirken wird und wir bald ein flächendeckendes Messnetzwerk mit der senseBox haben werden, das durch viele interessierte Bürger, Schüler, Schulen und andere Bildungsinstitute gemeinsam realisiert wird.”
Drei Fragen an Thomas Bartoschek, senseBox
Welche Unterstützung war in der Gründungsphase wichtig?
Die EXIST-Förderung war für uns ein zentraler Punkt für die Ausgründung aus der Uni. Die Stipendien haben viel Druck rausgenommen und uns sofort die Möglichkeit gegeben, mit viel Manpower zu starten.
Wie gelingt der Perspektivwechsel vom Wissenschaftler zum Gründer?
Man muss sich bewusst sein, dass es ein Marktpotenzial gibt. Informatiker können ganz gut voraussehen, was in zwei oder drei Jahren im Markt spannend sein wird. Aber man muss eben auch den Mut haben, selbst wenn es erst mal relativ risikoarm ist. Für uns war es wichtig, ein Open Source-Geschäftsmodell zu fahren, das ist unsere unternehmerische Philosophie und entspricht zugleich unserem Verständnis als Wissenschaftler. Wir machen alles offen und für jeden zugänglich.
Wie lässt sich dieser Gedanke Förderern und Investoren vermitteln?
In der Geschäftswelt ist das tatsächlich schwer vermittelbar, auch wenn es gute Beispiele wie z.B. Linux gibt. Wir sind davon überzeugt sind, dass wir Geld verdienen und dass mehr Menschen von unserer Forschung, unseren Produkten und den Daten profitieren können. Das ist allerdings tatsächlich eine Denkweise, die Investoren schwer zu vermitteln ist.
informationen zu SenseBox
Gründer
- Thomas Bartoschek
- David Fehrenbach
- Sergey Mukhametov
- Matthias Pfeil
- Umut Tas
- Jan Wirwahn
Förderungen und Preise
- 2018.: 1. Platz beim DIDACTA EdTech Startup Pitch
- 2017: Sybille-Hahne-Nachwuchsgründerpreis
- 2016-2019 BMBF Open Photonics
- AWS 2018 City on a Cloud Innovation Challenge Winners - Partners in Innovation Award 2018
- 2015 BMBF MakeLight
- CeBIT Innovation Award 2017 - Sonderpreis für Digitales Lehren und Lernen
- Forscherteam des Jahres 2016 – „Bürger schaffen Wissen“
- Code Week Award 2016
- Wettbewerb im Wissenschaftsjahr 2015 „Bürger schaffen die Zukunftsstadt”
- Make Light Challenge 2014 – 3. Platz