Kanonisierung und Diversifizierung im islamischen Recht und in der arabischen Rhetorik im Vergleich
Zeitraum: 2020–2024
Teilprojektleitung: Prof. Dr. Norbert Oberauer; Prof. Dr. Syrinx von Hees
Wissenschaftliche Mitarbeit: Dr. Hakki Arslan; Dr. Luca Rizzo; Dr. Tareq Sabraa
Ziel des Teilprojekts ist ein Vergleich von Diversifizierungsprozessen in der Wissensproduktion, die im islamischen Recht (fiqh) und der arabischen Rhetorik (balāġa, im Sinne einer Literaturwissenschaft) in der sog. „nachklassischen“ Zeit (ab ca. dem 14. Jahrhundert) stattfanden. Im 13.Jahrhundert vollendeten sich Kanonisierungsprozesse auf verschiedenen Gebieten der arabischsprachigen Wissensproduktion, wodurch bestimmte Personen und ihre Texte eine überragende Autorität gewannen und viele Wissenschaften fortan ganz maßgeblich durch eine Bezugnahme auf diese Texte bestimmt waren.
Im islamischen Recht vollzieht sich diese Kanonisierung durch die Herausbildung von „Schulen“ (maḏāhib). Bei der arabischen Rhetorik fließen verschiedene Ansätze im 13. Jahrhundert in einer „Standardtheorie“ zusammen, deren kanonischer Text, der Talḫīṣ al-miftāḥ, zum meistkommentieren Text (nach dem Koran) in der arabisch-islamischen Welt wird. Am Beispiel zweier konkreter Wissenschaftstraditionen – Recht und Rhetorik im Sinne einer Literaturwissenschaft – wollen wir die Folgen der Kanonisierungsprozesse erstmalig empirisch untersuchen und miteinander in Bezug setzen.