Nationalsozialismus
Das Verhältnis der nationalsozialistischen Ideologie zur Stadt und vor allem zur Großstadt war ambivalent und changierte zwischen Agrarromantik und bewusster Selbstinszenierung durch monumentale Städtebauprojekte. Auf der einen Seite gab es eine auf konservativem und völkischem Gedankengut fußende Landliebe bzw. Großstadtfeindschaft. Die moderne Stadt der Industriegesellschaft wurde mit Dekadenz, Entwurzelung und Vermassung in Verbindung gebracht, der man das Ideal der Boden- und Heimatverbundenheit ländlicher und kleinstädtischer Lebensverhältnisse gegenüberstellte. Grundbesitz und Eigenheim auf dem Land wurden eine geburtenfördernde Wirkung attestiert, während das Leben in Großstädten für Geburtenstagnation und Überalterung der Gesellschaft verantwortlich gemacht wurde. Gottfried Feder (DNB), Wirtschaftstheoretiker der NSDAP, bezeichnete die Großstadt als „Tod der Nation“ (Petsch 1976, S. 268); und Hitler nannte Großstädte 1930 „Exzesse am Körper der Nation“ (Mayrhofer 2008, S. 14). Des Weiteren wies die Großstadtfeindschaft eine rassistische Komponente auf, die eng mit bevölkerungspolitischen Aspekten verknüpft war und auf der „Blut-und-Boden-Ideologie“ basierte. Danach bedrohe die Stadt die germanische Rasse, deren Ursprünge und natürlichen Lebensgrundlagen im Bauerntum und ländlichen Leben liegen. Nach Ansicht führender NS-Ideologen wie Walter Darré (DNB) und Hans F. K. Günther (DNB) sei die Stadt der germanischen Rasse nicht zuträglich und die großen Bevölkerungsverschiebungen vom Land in die Städte wurden als eine Gefahr für den Fortbestand derselben angesehen. Dementsprechend wurde dem Bauerntum eine entscheidende Bedeutung beigemessen, durch deren Blut sich eine rassische „Erneuerung“ vollziehen sollte.
Neben diese ideologisch begründete Ablehnung der Stadt trat auf der anderen Seite aufgrund wirtschaftspolitischer Notwendigkeiten im Kontext von Industrialisierung und technischem Fortschritt zunehmend eine neue, positivere Bewertung städtischen Lebens. Nun sollte ein sowohl landwirtschaftlich als auch industriell geprägter Staat angestrebt werden, dessen Grundlage ein starkes Bauerntum sei, das den großstädtischen Zentren der industriellen Produktion als „Blutsquelle“ diente. Der Charakter der nationalsozialistischen Großstadtfeindschaft war somit ein antiurbaner, der die im 19. Jh. entstandene moderne Großstadt in ihrer Wesensart ablehnte. In der Praxis bekannten sich die Nationalsozialisten aber zur Großstadt, die ihre Bedeutung nicht aus der Funktion als Wohn- und Lebensort bezog, sondern als architektonische Projektionsfläche von Machtansprüchen diente und administrativ in die nationalsozialistische Verwaltungsstruktur eingepasst werden musste.
Städtebau und Architektur
Adolf Hitler (DNB) und seine Architekten wie Albert Speer (DNB) und Hermann Giesler (DNB) widmeten sich nach der Machtübertragung fast ausschließlich monumentalen und repräsentativen Bauten, Aufmarschplätzen und Achsenstraßen, während Fragen einer städtebaulichen Gesamtplanung oder der Verkehrsorganisation sekundär blieben. Abgesehen von der Siedlungspolitik, die auf die Errichtung von Kleinhäusern mit Selbstversorgungseinheiten ausgerichtet war, war ein Großteil der Architektur weniger zweckmäßig als vielmehr machtpolitisches Instrument. Die Umgestaltungspläne wurden im Laufe der Jahre stetig erweitert, so dass schließlich für alle deutschen Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern monumentale Entwürfe erarbeitet wurden. Alle großen Städte sollten zumindest über ein Forum mit Aufmarschstraße, Versammlungshalle, Appellplatz, Glockenturm und NSDAP-Verwaltungsgebäuden verfügen. Ab 1940 wurden diese Vorhaben kriegsbedingt zurückgesetzt; der Fokus der Stadtumbauprojekte lag nun auf den sog. „Führerstädten“, denen zukünftig bestimmte Funktionen zugedacht waren: Berlin als Reichshauptstadt Germania, Hamburg als Zentrum des Welthandels, Nürnberg als Stadt der Reichsparteitage, München als NSDAP-Parteizentrale sowie Linz als Kunstzentrum.
Der Neugestaltungsplan für Berlin sah als Grundriss der Stadt eine Nord-Süd- sowie eine Ost-West-Achse vor, die sich am Brandenburger Tor kreuzen und in einem die Stadt umfassenden Autobahnring münden sollten. Bei der Erweiterung und dem Umbau der bereits existierenden Ost-West-Achse wurden die bestehenden Strukturen berücksichtigt und vorhandene Bauten integriert. Ein Teilstück der Straße konnte zu Hitlers 50. Geburtstag am 20. April 1939 für den Verkehr freigegeben werden. Das Kernstück der Anlage war jedoch die neu entworfene Nord-Süd-Achse, deren Enden der Nord- und der Südbahnhof markierten. Zentrale Gebäude dieser Straße waren in den Plänen ein Triumphbogen und die „Große Halle“, die Hitler beide bereits in den 1920er Jahren skizzenartig entworfen hatte. Der Triumphbogen sollte in seiner Größe den Arc de Triomphe de l’Ètoile in Paris ungefähr um das Fünfzigfache übertreffen und die Namen aller deutschen Gefallenen des Ersten Weltkrieges verewigen. Die Große Halle, ein monumentaler Kuppelbau mit dem Reichsadler auf der Spitze, sollte mit einer Höhe von 290 Metern und einer Länge von 315 Metern das größte Gebäude der Welt werden. Südlich, zu Fuße der Großen Halle, sollte ein Platz liegen, der bei Siegesfeiern oder Gedenktagen als Versammlungsort dienen und einer Million Menschen Platz bieten könnte. Zwischen Großer Halle und Triumphbogen war an der Nord-Süd-Achse vor allem Platz für Staats- und Parteistellen, aber auch für Firmen, Hotels und kulturelle Einrichtungen mit repräsentativen Bauten vorgesehen. Hier sollten das Führerpalais und das Reichsmarschallamt stehen sowie das Oberkommando der Wehrmacht seinen Sitz haben. Die Straßen wären von Waffen, Ehrenmälern und anderen Standbildern gesäumt worden. Die Fertigstellung der Nord-Süd-Achse war für 1950 angedacht: Berlin hätte dann den Namen „Germania“ erhalten. Die architektonischen Neuerungen benötigten viel Platz, so dass ganze Stadtviertel und tausende Wohnungen zum Abbruch vorgesehen waren. Rechtliche Grundlage für großflächige Enteignungen war 1937 mit dem Gesetz über die "Neugestaltung deutscher Städte" geschaffen worden. Die Abrissarbeiten begannen 1938. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 wurden die Bauarbeiten vorerst eingestellt, ehe sie nach dem Sieg über Frankreich 1940 wieder aufgenommen und 1942 endgültig eingestellt wurden.
Die von den Nationalsozialisten geplante Architektur hätte in ihrer Größe alles Bisherige übertroffen. Das Streben, an die Grenzen des Realisierbaren zu gelangen und neue Maßstäbe zu setzen, entsprach zwar dem Zeitgeist, zugleich lag dabei aber das ideologische Motiv des Verlangens nach uneingeschränkter Herrschaft zugrunde. Bestes Beispiel dafür ist die „Große Halle“, an deren Spitze zunächst der Reichsadler das Hakenkreuz in den Fängen halten sollte, ehe Hitler kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges 1939 entschied, dass der Adler nicht über dem Hakenkreuz, sondern über der Weltkugel thronen müsse. Diese architektonische Bildsprache verstärkte den Anspruch auf Weltmacht, den bereits die Größe der Bauten oder die Breite der Achsenstraßen andeuteten.
Eine ähnliche Verquickung von Weltmachtansprüchen und Architektur vermittelte das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg. Am südöstlichen Rand der Stadt gelegen, war die Fläche ca. 15-mal größer als die gesamte Nürnberger Innenstadt. Zunächst entstand in den Jahren 1933 bis 1935 die Luitpoldarena, in der während der Parteitage die verschiedenen nationalsozialistischen Organisationen wie die SA und die SS aufmarschierten. Hinter der Tribüne errichtete man vier Stahlmasten, die jeweils 34 Meter hoch waren und zur Beflaggung verwendet wurden. Ebenfalls realisiert wurde das Zeppelinfeld, dessen Bau zum Parteitag 1936 bereits weitgehend abgeschlossen war. Das Zeppelinfeld hatte mit einer Länge von 289 Metern und einer Breite von 312 Metern eine fast quadratische Form. Es konnte bis zu 250.000 Parteitagsteilnehmer fassen; die umschließenden Tribünen boten weiteren 70.000 Menschen Platz. Optisch deutlich hervorgehoben war die mit 144 Pfeilern bestückte nördliche Haupttribüne, an deren Spitze ein Hakenkreuz thronte. Die unter der Leitung Albert Speers entstandenen Bauten in Nürnberg sollten wie die Bauten in Berlin die Größe und Beständigkeit des Dritten Reiches versinnbildlichen. Im Fall des Zeppelinfeldes boten sie zudem der Wehrmacht ein Terrain für ihre Waffenübungen.
Neben der als Achsenstraße des Reichsparteitagsgeländes geplanten und 1939 fertiggestellten „Großen Straße“ waren die Luitpoldarena und das Zeppelinfeld die einzigen von den Nationalsozialisten realisierten Bauten in Nürnberg. Darüber hinaus war lediglich die Errichtung der Kongresshalle, eines hufeisenförmigen Rundbaus nach Entwürfen des Architekten Ludwig Ruff (DNB), der 275 Meter lang sein und 50.000 Menschen als Versammlungsort dienen sollte, beim Baustopp 1943 teilweise umgesetzt. Auch andere Großprojekte, wie das für nationalsozialistische Kampfspiele angedachte „Deutsche Stadion“ oder das Märzfeld, das der Wehrmacht bei den Reichsparteitagen für Kampfvorführungen dienen sollte, wurden nicht mehr realisiert.
Neben architektonischen Maßnahmen im Stadtraum besitzen die Benennungen von Straßen, Plätzen und Denkmälern eine besonders hohe politische Bedeutung, denn sie dienen als steuerbare Medien der Erinnerung (Gedächtnisorte), der Ehrung und zeugen vom politischen Umgang mit der Vergangenheit. Die Namen sind zugleich Instrumente als auch Ausdruck von Machtansprüchen, die bestimmte Werte transportieren und somit eine Gedächtnispolitik derjenigen vorschreiben, die sie vergeben. So erfolgten massive Umbenennungen von Straßen und Plätzen flächendeckend bereits ab 1933. Diese beinhalteten zum einen die Beseitigung solcher Namen, die dem nationalsozialistischen System ideologisch entgegenstanden (z. B. Namen mit Bezug zum Marxismus und zur Demokratie, aber auch jüdische und kirchliche Namen), zum anderen die symbolische Vereinnahmung zentraler öffentlicher Räume (repräsentative und große sowie zentral gelegene Straßen, beispielsweise in der Innenstadt oder direkt am Bahnhof;). Die Benennungspraxis erfolgte in der Regel durch die Bürgermeister in Abstimmung mit den Beauftragten der NSDAP und verlief nicht immer konfliktfrei. Eine einheitliche Benennungspolitik durch die Reichsleitung sowie einen vorgegebenen Namenskorpus gab es hingegen nicht. Nicht ganz die Hälfte aller Straßennamenbenennungen waren NS-konnotierte Namen, an erster Stelle war dies Adolf Hitler (Adolph-Hitlerplatz in Wiesbaden), gefolgt von Horst Wessel, Hermann Göring und Albert Leo Schlageter (vgl. dazu auch die Datenbank „Die Straßenbenennungspraxis in Westfalen und Lippe während des Nationalsozialismus“ des Instituts für westfälische Regionalgeschichte). Nach Kriegsende wurden viele, jedoch nicht alle Umbenennungen wieder rückgängig gemacht. So schreibt M. Weidner, dass heute „etwa rund ein Drittel der erinnerungskulturellen Benennungsakte aus der NS-Zeit noch gültig“ sind und somit teils erhebliches Konfliktpotential besitzen (Weidner, Straßenbenennungspraxis in Westfalen und Lippe).
Der Zweite Weltkrieg bedeutete für das deutsche Städtewesen, insbesondere für die Großstädte, eine entscheidende Zäsur und beendete gleichfalls nationalsozialistische (Groß-)Bauprojekte. Der Bombenkrieg zerstörte nicht nur Fabriken, Industrieanlagen und Infrastruktur, sondern auch viele Wohnviertel und historische Altstädte mit wichtigen Bau- und Kunstdenkmälern unwederbringlich (Erbdrostenhof nach dem II. Weltkrieg; Kriegszerstörung in der Salzstraße in Münster). Dies hatte zur Folge, dass viele Menschen aufs Land evakuiert werden mussten, da ein Überleben in der Stadt (besonders bei Kriegsende) durch das Fehlen von Wohnraum, Lebensmitteln und medizinischer Versorgung vielfach nicht mehr möglich war. Lediglich ländliche Kleinstädte, die keine wichtige Industrie aufweisen konnten und die beim Vordringen alliierter Truppenverbände keinen Widerstand geleistet hatten, blieben nahezu unzerstört. Bestandsaufnahmen an Schäden und Toten können nur Annäherungen sein. So liegen die 1958 ermittelten staatlichen Schätzungen bei weit über 600.000 Toten durch Bombenangriffe. Den höchsten Zerstörungsgrad hatten unter den Großstädten demzufolge Würzburg, Kassel und Dortmund zu verzeichnen, unter den Mittelstädten waren dies Wesel, Emden und Zweibrücken, und bei den Kleinstädten bildeten Jülich, Emmerich und Xanten die Spitze.
Administrative Neuordnung
Die Durchsetzung des Nationalsozialismus auf städtisch administrativer Ebene erfolgte vor Ort u.a. durch Verabschiedung neuer Kommunalrechte. Als erstes wurden Anfang Februar 1933 die preußischen Gemeindevertretungen aufgelöst, um bei den daraufhin erfolgten Neuwahlen mit dem Nationalsozialismus konform gehende Personen in die Vertretungskörperschaften zu bringen. Eine absolute Mehrheit der NSDAP wurde bei den Wahlen im März vielfach jedoch nicht erreicht. Das preußische Gemeindeverfassungsgesetz, das am 15. Dezember 1933 erlassen wurde und am 1. Januar 1934 in Kraft trat, schuf zunächst nur ein einheitliches Kommunalrecht für ganz Preußen und ersetzte die bisher geltenden 15 Gemeindeordnungen des preußischen Staates. Es beendete die kommunale Selbstverwaltung der Gemeinden und führte auf lokaler Ebene das Führerprinzip ein, d.h. alle Entscheidungskompetenzen wurden auf den Bürgermeister übertragen, der die Verwaltung der Stadt in voller Verantwortung leitete. Massiv ausgebaut wurden des Weiteren die Kompetenzen der staatlichen Aufsichtsbehörde, die mit Blick auf Genehmigungspflichten eine neue Qualität erreichte. Die Aufsichtsbehörde entschied auch über die Berufung des Bürgermeisters und berief im Einvernehmen mit dem nationalsozialistischen Gauleiter die Gemeindevertretung, an deren Zusammensetzung die Bürgerschaft nicht mehr durch Wahlen partizipieren konnte. Die neuen Gemeindevertreter hießen nicht mehr Stadtverordnete wie zu Zeiten der Weimarer Republik, sondern Ratsherren bzw. Gemeinderäte. Ihre Funktion erschöpfte sich nun darin, den Bürgermeister in Gemeinderatssitzungen zu beraten. Das betraf auch den ranghöchsten Führer der SA oder der SS sowie den obersten Leiter der NSDAP vor Ort, die per Gesetz nun ebenfalls als Ratsherren zu berufen waren, aber in dieser Funktion keine Entscheidungsbefugnisse besaßen. Die neue Machtverteilung konnte durchaus zu Streitigkeiten zwischen Bürgermeister und örtlichen NSDAP-Stellen führen.
Die Deutsche Gemeindeordnung (DGO), die am 30. Januar 1935 verabschiedet wurde, ersetzte dann das preußische Gemeindeverfassungsgesetz und schuf erstmals ein einheitliches Kommunalverfassungsrecht für ganz Deutschland. Dieses galt für alle Gemeinden des Reiches, ausgenommen waren lediglich Berlin sowie die Stadtstaaten Hamburg, Lübeck und Bremen. Für die Verwaltung der Reichshauptstadt wurde am 1. Dezember 1936 ein eigenes Gesetz verabschiedet, welches teils erheblich von der DGO abwich. Bis auf Bremen, das weiterhin nach bisherigem Recht verwaltet wurde, unterstanden ab 1937 dann auch Lübeck und Hamburg der DGO. Die Gemeindeordnung wurde ebenfalls in den neu hinzugekommenen Gebieten des „Großdeutschen Reiches“ wie z.B. Österreich eingeführt. Entscheidende Neuerung dieser Gemeindeordnung war die Verankerung einer Parteiorganisation – der NSDAP – in einem Kommunalgesetz. Mit der Deutschen Gemeindeordnung wurde das Amt des „Beauftragten der NSDAP in der Gemeinde“ geschaffen, der den Einfluss der Partei auf die Gemeindeverwaltung sicherstellen sollte. Dieser stand im Gegensatz zu den Partei- und SA/SS-Vertretern des preußischen Gemeindeverfassungsgesetzes außerhalb der unmittelbaren Verwaltungstätigkeit, wirkte jedoch mit bei Personalentscheidungen (Berufung und Abberufung der Bürgermeister, Beigeordneten und Ratsherren), bei Erlassen von Hauptsatzungen sowie bei der Verleihung oder Aberkennung von Ehrenbezeichnungen (z.B. Ehrenbürgerrechte). Der Beauftragte der NSDAP – für kreisunmittelbare Gemeinden und Stadtkreise in der Regel der Kreisleiter – war an keine staatliche Stelle gebunden und musste sich lediglich an die Anweisungen seines Gauleiters halten. Die Kompetenzen der berufenen Ratsherren blieben weiterhin begrenzt. Sie sollten den Bürgermeister beraten und bei der Bevölkerung um Verständnis für die Entscheidungen des Gemeindeleiters werben. Der Beauftragte der NSDAP konnte an diesen Beratungen teilnehmen, wenn dessen Zustimmung zu einer bürgermeisterlichen Entscheidung vonnöten war, tat dies aber nur in besonderen Fällen. Die exponierte Stellung des Bürgermeisters als „Führer der Gemeinde“ wurde durch die Verankerung der NSDAP in der Kommunalverwaltung völlig ausgehöhlt, was in vielen Gemeinden zu einem Spannungsverhältnis und Dualismus zwischen Parteiorganisation und Gemeindeverwaltung führte. Personalunionen gingen aufgrund der Nichtvereinbarkeit der zwei Positionen im Laufe der 1930er Jahre zurück.
In Großstädten wurde generell viel radikaler die Ausrichtung der Kommunalverwaltung auf den Einparteienstaat vorgenommen. So waren in Städten mit über 200.000 Einwohnern beispielsweise Ende 1933 nur noch rund 14 % der gewählten Oberbürgermeister im Amt, in kleineren Städten (20.000 bis 50.000 Einwohner) jedoch noch über 46 %. Eine reibungslose Umsetzung der DGO war mit dem beschriebenen Machtdualismus in keiner Stadt möglich, jedoch prägte sich dieser – auch was den Umgang betraf – in den jeweiligen Städten unterschiedlich aus. In der katholischen Industrie- und Gauhauptstadt Augsburg z.B. entstand ein regional austariertes Herrschaftssystem mit den alten Funktionseliten. So hatte dort die Einführung der DGO 1935 keinen personellen Austausch im Stadtrat und den Ausschüssen zur Folge, obwohl Oberbürgermeister Josef Mayr (DNB) ganz im Sinne einer nationalsozialistischen Ausrichtung die Verwaltung führte. Hier gab es die Besonderheit, dass die NS-Führungselite aus Angestellten und Beamten bestand; selbst der Gauleiter Wahl kam aus der Augsburger Stadtverwaltung. Der Einfluss der Partei auf die Verwaltung konnte so bereits 1933 erfolgen, indem zwar nicht das Personal, wohl aber die Geschäftsverteilung innerhalb der Verwaltung geändert wurde. Ein entscheidendes Kriterium für die nationalsozialistische Ausprägung der Stadtverwaltungen waren die jeweiligen Personen und ihre örtliche wie regionale Vernetzung, die letztlich über die Machtfülle als Bürgermeister, Ortsgruppenleiter etc. entschieden. Während in Augsburg der Oberbürgermeister das Austarieren zwischen Verwaltung und Partei konsensorientiert mit dem Gauleiter anging, stießen in einigen Städten, vor allem in kleineren wie z.B. der katholischen Kleinstadt Billerbeck im Münsterland, die Überwachungs- und Eingriffsmöglichkeiten der NSDAP an gewisse Grenzen. So schafften es die nationalsozialistischen Stellen dort beispielsweise erst 1939, den in der Bevölkerung sehr beliebten, aber zum Nationalsozialismus distanzierten Amtsbürgermeister Ludger von Twickel durch Pensionierung aus seinem Amt zu entfernen und mit einem auswärtigen Verwaltungsbeamten und Parteimitglied zu ersetzen. Auch konnten sich Bürgermeister und Kommunalstellen in einigen Fällen den vermehrten Übergriffen durch die lokale NSDAP erfolgreich wehren.
Die Gesetze hatten letztlich keinen normativen Charakter, da sich die Partei über diese hinwegsetzen konnte. Durch die Legalisierung von Parteieingriffen und die Integrierung der Kommunalverwaltung in die Staatsverwaltung kam es zur „Entleerung der kommunalen Selbstverwaltung“ (Engeli/Haus, 1975, S. 675).
Dass dieses Kapitel kommunaler Verwaltungsgeschichte bis heute nicht hinreichend aufgearbeitet ist, belegen lokal ausgerichtete Forschungsprojekte, beispielsweise das 2009 initiierte Großprojekt zur Münchner Stadtverwaltung im Nationalsozialismus mit mehreren Promotionsvorhaben oder die 2015 von der Stadt Münster beauftragte Aufarbeitung der eigenen Verwaltungsgeschichte (letzter Zugriff auf die Forschungsprojekte am 12.1.2017).
Joel Behne/Dörthe Gruttmann (12.1.2017)