(D2-13) „Höhere Gewalt“ und öffentliches Handeln. Politik im Zeichen der Pest
Der „Schwarze Tod“ stellte für die Menschen des Spätmittelalters allenfalls in zweiter Instanz ein körperintern-pathologisches Krankheitsbild dar. Er repräsentierte zuforderst eine physische Gewalterfahrung externen Ursprungs. Anstelle eines Mikroorganismus galt Gott selbst beziehungsweise die von ihm geschaffene Natur als Ursache der Pandemie. Als Produkt einer „höheren Gewalt“ wurde die Pest zum Bezugspunkt theologischer Auslegung, in ihrer irdischen Gestalt aber auch zum Gegenstand naturphilosophischer Expertisen.
Den Zeitgenossen galt es, im Dialog mit Gott und seinem Naturgesetz nicht allein das individuelle Überleben sicherzustellen, sondern auch Strategien der kollektiven Krisenbewältigung zu entwickeln, denn, wie es Klaus Bergdolt formuliert, „die Pest war seit 1348 stets auch ein Politikum“. Das Projekt soll in einem bis zum Ende des 15. Jahrhunderts reichenden Zeithorizont unter zwei komplementären Zentralperspektiven erstens den mittelalterlichen Pestdiskurs in seiner doppelten Polarität und zweitens dessen Niederschlag in konkreten Praktiken öffentlichen Handelns betrachten. Der Blick auf das Diskursfeld „Pest“ macht es möglich, die bis heute prägende Grenzziehung zwischen Politik und Naturwissenschaft an einer zentralen Etappe ihrer historischen Genese zu beleuchten.