(C2-10) Kritik von innen. Modelle sozialen Wandels in der katholischen Kirche
Kritische Impulse aus dem Innenraum religiöser Praxis haben stets zu neuen Sozialformen und Ausdrucksgestalten des christlichen Glaubens im Rahmen der Kirche geführt (Schismen, Konfessionsbildungen, Orden und Reformbewegungen, theologische Aufbrüche etc.). Kritik ist in beträchtlichem Ausmaß aus der bewussten Rückkehr (retour aux sources) zu den Gründungsimpulsen der Glaubensgemeinschaft motiviert. Dennoch wäre es kurzschlüssig, Wirkweise und Gestalt innerkirchlicher Kritik allein aus dem innerreligiösen Kräftespiel zu erklären. Vielmehr sind Ausdrucksformen der Kritik in Relation zu Entwicklungen des jeweiligen gesellschaftlichen, kulturellen und mentalen Kontextes zu sehen: Innerreligiöse Kritik, so die Hypothese, lässt sich nur aus der Wechselwirkung zwischen „religiösem Erbe“ und sozialem Kontext bzw. zwischen dem Selbstverständnis einer Religionsgemeinschaft und den „Anleihen“, welche die Kritik von außerhalb des religiösen Feldes bezieht, verstehen.
Folgende Aspekte werden für das Projekt strukturbildend sein und sollen exemplarisch untersucht werden:
- Klassifizierung verschiedener Typen von Kritik und Protest in der katholischen Kirche
- Systematisierung von raison d’être und Zielperspektiven innerkirchlicher Protestbewegungen
- Reflexion der internen und externen Folgen innerkirchlicher Kritik
- Untersuchung des für den Katholizismus spezifischen Wechselverhältnisses zwischen Protestimpuls und Protestadresse.
Kritikformen, die sich im Innern einer Religionsgemeinschaft artikulieren, bilden eine Blaupause für die „Sozialform des Religiösen“ hinsichtlich des Katholizismus. Denn eine angemessene Beschreibung von Dissens, Protest und Kritik innerhalb einer religiösen Institution lässt sich nur unter Berücksichtigung des Adressaten der Kritik – der kirchlichen Organisation – leisten; der Sozialkörper „Kirche“ mit seinen vorgängigen dogmatischen Setzungen und einem zum kollektiven Habitus gewordenen Selbstbild wird als kontingente Sozialform des Religiösen sichtbar gemacht, wo mit Kritik und Protest gerade jene inneren Vektoren der Institution thematisiert werden, welche ihre „lebensweltliche Teilhabe“ stärker als andere Elemente innerhalb der religiösen Institution zur Entfaltung bringen. Diesem Profil entsprechend ist das Projekt in die Koordinierte Projektgruppe „Sozialformen des Religiösen“ eingebunden; eine Verknüpfung besteht außerdem mit der Arbeitsplattform Religion, Politik und Geschlechterordnung.
Das Projekt ist Teil der Arbeitsplattform G Religion, Politik und Geschlechterordnung und der Koordinierten Projektgruppe Sozialformen des Religiösen in der Zweiten Moderne (seit den 1960er Jahren).