(B2-10) Das Himmlische Jerusalem als religiös-politischer Imaginationsraum

Das Projekt untersucht vom früheren Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert und zu den Forschungskontroversen des 20. Jahrhunderts ausgewählte Beispiele von religiösen wie politischen Räumen, sakralen Objekten (Reliquiare, Leuchter etc.), aber auch heraldische Raummarkierungen, die mit dem Topos des Himmlischen Jerusalem verbunden waren. Leitfrage ist dabei, welche medialen Eigenlogiken durch die bildhaften und architektonischen Repräsentationen des Himmlischen Jerusalems in den Diskurs um das Verhältnis von Politik und Religion, regnum und sacerdotium eingebracht werden. Dabei gilt es zunächst zu zeigen, wie eine im Heiligen Text entworfene Raumvorstellung konkrete Gestalt erfuhr und in Bild und Architektur zu unterschiedlichen Zeiten ganz unterschiedliche komplexe Zusammenhänge des Verhältnisses von Religion und Politik medial zu beschreiben in der Lage war. Während sich die Forschung bislang vor allem ikonographisch und auf der Bedeutungsebene mit dem Himmlischen Jerusalem auseinandersetzte, wird das Projekt stärker bei Fragen der Bildsprache, Möglichkeiten der Rezeption und den Funktionskontexten ansetzen. Gerade bei Werken, die im herrschaftlichen Umfeld entstanden, wird sich zeigen, dass das Medium selbst eine Vielfalt an Deutungsebenen und Verhältnisbestimmungen zur Verfügung stellte, die sich einem einfachen Entweder-Oder von herrschaftlicher Besetzung religiöser Bildsprache oder religiöser Unterordnung von Herrschaft, wie sie im modernen  Deutungsstreit einer vereindeutigenden Forschung zugrunde liegen, entziehen.


Das Projekt ist Teil der Koordinierten Projektgruppen Säkularisierung und Sakralisierung der Medien und Mediale Figurationen des Politischen und des Religiösen.

Teilprojekte

Der Projektleiter (Prof. Dr. Reinhard Hoeps) konzentriert sich auf die gotische Kathedrale, ihre Deutung bei Suger von St. Denis, die Mittelalterrezeption bei der Fertigstellung des Kölner Domes im 19. Jahrhundert und deren politische Bedeutung sowie den Deutungsstreit in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts. In theologischer Absicht wird dabei vor allem das Verhältnis von religiös-theologischer Semantisierung und ästhetisch-medialer Formsprache sowie der Möglichkeitsbedingungen einer solchen Verhältnissetzung im Zentrum stehen.

Der Projektmitarbeiter (Dr. Thomas Lentes) wird erstmals monographisch vom frühen Mittelalter bis zur Reformation an ausgewählten Beispielen, die unterschiedlichen medialen Möglichkeiten des Himmlischen Jerusalems systematisch beschreiben. An so unterschiedlichen Beispielen wie dem Aachener Münster mit seinem Karlsschrein und Barbarossaleuchter, dem sogenannten Barbarossakopf, der Ausgestaltung der Burg Karlstein durch Karl IV., die Besetzung des städtischen Raumes mit Zeichen des Himmlischen Jerusalems im Täuferreich zu Münster sollen unterschiedliche mediale Leistungen von Ausdifferenzierung bis hin zu Traditionsstiftung bzw. -bruch dargestellt werden.

Beiden Teilprojekten gemeinsam sind die Fragen nach der medialen Umsetzung des biblischen Bildes vom Himmlischen Jerusalem sowie nach den medialen Eigenlogiken seiner Darstellung im Spannungsfeld von Religion und Politik. Während R. Hoeps auf die gotische Kathedrale und deren Rezeption bis in die Gegenwart fokussiert, nimmt Th. Lentes unterschiedliche Darstellungsformen vom frühen bis zum späten Mittelalter in den Blick.