EXC 2060 A3-7 - Figuren des Hasses. Prolegomena zu einer Literatur- und Kulturgeschichte

Projektzeitraum
Projektstatus
Laufend
Mittelgeber
DFG - Exzellenzcluster
Förderkennzeichen
EXC 2060/1
  • Beschreibung

    Das Wort ‚Hass’ hat in den öffentlichen Debatten der Gegenwart vor dem Hintergrund weitreichender geopolitischer Veränderungen und tiefgehender sozialer und religiöser Spannungen eine bemerkenswerte Präsenz und neue Aktualität erhalten. Die Rede ist etwa von ‚Hasspredigern‘, ‚Hasskommentaren‘, ‚Hassmails‘; auch wurde über die Normalisierung von Hass diskutiert. Das Projekt widmet sich den diskursiven Funktionen des Hasses in einer historischen wie in einer systematischen Perspektive, indem es weniger danach fragt, was Hass ‚ist‘, sondern welche Rolle Hass-Zuschreibungen in spezifischen historisch-kulturellen Zusammenhängen zukommt. Dabei werden auch psychologische und affekttheoretische Zugänge berücksichtigt. Hass erscheint als ein komplexes Beziehungsgefüge: Wer Hass zuschreibt, ist bereits Teil einer sozialen Hass-Relation. Das Projekt lotet auch das Verhältnis des Hasses zu vergleichbaren Affekten wie Wut oder Zorn aus. Bemerkenswerterweise stellt die Hass-Attribution sehr häufig auch einen Bezug zur Liebe dar, die entweder als entgegengesetzter Affekt oder als mit dem Hass konstitutiv verbundene Relation (‚Hassliebe‘) aufgefasst wird. Ein bevorzugtes Reflexionsmedium für die kulturellen, gesellschaftlichen und religiösen Funktionen von Hass ist die Literatur. Insbesondere die Theaterbühne bietet sich dem Hass zur wirkungsvollen Inszenierung dar. Damit stellt sich aber auch die Frage nach dem Ethos künstlerischer Hass-Performances im Verhältnis zum auf die Realität bezogenen Hass-Diskurs. Im Rahmen des Projekts soll eine Literatur- und Kulturgeschichte des Hasses erarbeitet werden, die bei der antiken Literatur und der Bibel einsetzt und über die Frühe Neuzeit, die Zeit der Befreiungskriege, Moderne und Postmoderne bis zu den gegenwärtigen Auseinandersetzungen reicht.
  • Personen

  • Promotionen

    Hanna Clara Pulpanek, M.A. | M.Ed.

     

    Promotion

    Nathans Hass. Zur Rezeption von Lessings Nathan der Weise im Drama der Gegenwart

    Betreuerin
    Prof. Dr. Martina Wagner-Egelhaaf
    Promotionsfach
    Graduate School Practices of Literature
    Angestrebter Abschlussgrad
    Dr. phil.
    Verleihender Fachbereich
    Fachbereich 09 – Philologie
    Nathans Hass. Zur Rezeption von Lessings Nathan der Weise im Drama der Gegenwart. Im gegenwärtigen politischen und gesellschaftlichen Diskurs spielen verbale und körperliche Gewalttaten von und gegen Menschen mit unterschiedlichen religiösen Überzeugungen, die u.a. in Form antisemitisch, rechtsnational oder islamistisch motivierter Attacken und Anschläge, aber auch militärischer Konflikte zwischen Organisationen oder Staaten auftreten, (erneut) eine große Rolle. Vor diesem Hintergrund besitzt das Toleranzplädoyer des kanonischen Aufklärungsdramas Nathan der Weise von G.E. Lessing heute eine ebenso große Relevanz und Aktualität wie im 18. Jahrhundert. Entsprechend wird die Thematik des interreligiösen Konflikts auch von zeitgenössischen Autor*innen unter Rückgriff auf den Nathan-Stoff bearbeitet. Im Unterschied zu dem von Liebe und Vernunft geprägten Versöhnungsszenario des kanonischen Texts setzen sie den emotionalen Fokus der Figurenbeziehungen jedoch auf Hass. Sie stellen damit ein Phänomen in den Vordergrund, das in gegenwärtigen öffentlichen Debatten immer häufiger unter Stichworten wie ‚Hasskommentar‘, ‚Hassverbrechen‘, ‚Hassprediger‘ oder ‚hate speech‘ als Diagnose des aktuellen gesellschaftlichen Zustands erscheint. Das vorliegende Projekt widmet sich den Emotionsdynamiken von Hass und Liebe in Lessings Drama wie auch den zeitgenössischen Werken mit dem Fokus auf den Figurenkonzeptionen und -konstellationen. Es fragt nach dem produktiv-rezeptiven Spannungsverhältnis der aktuellen Texte zu ihrem Vorbild und untersucht ihre Einbettung in gegenwärtige Emotions- und Religionsdiskurse.